Der Arztbesuch kann für Bürgergeld-Empfänger:innen trotz Krankenversicherung sehr schnell sehr teuer werden, wenn Dolmetscher:innen hinzugezogen werden müssen. Denn Krankenkassen übernehmen in der Regel nur die Behandlungskosten. Das Jobcenter Dresden geht hier mit gutem Beispiel voran und gewährt Übersetzerkosten als einmaligen Bedarf.
Bilden wir jetzt eine Bedarfsgemeinschaft? Vor dieser Frage steht so manch frisch gebackenes Paar – besonders, wenn Kinder aus vorherigen Beziehungen mit in den neuen Haushalt ziehen. Das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (LSG) hat in einer neuen Entscheidung die Voraussetzungen einer Bedarfsgemeinschaft für Patchwork-Familien weiter konkretisiert.
Sanktionen sind und bleiben ein umstrittenes Thema beim Bürgergeld. 2022 lagen sie auf einem Rekordtief. Mit der Einführung des Bürgergeldes dürfte sich das aber ändern.
Bezahlbarer Wohnraum wird immer knapper. In Berlin scheinen mittlerweile selbst Sozialwohnungen für das Jobcenter zu teuer zu sein. Nun entschied das Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg, dass Unterkunftskosten, die sich an Preisen für Sozialwohnungen orientieren, vom Jobcenter übernommen werden müssen.
Ein Langzeitarbeitsloser konnte seinen neuen Job nicht antreten, weil die Mietkaution für seine neue Wohnung zu hoch gewesen wäre. Das Jobcenter sah darin ein sozialwidriges Verhalten. Nun hat das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen den Fall entschieden.
Bürgergeld-Empfänger:innen müssen teilweise monatelang auf eine Antwort vom Jobcenter warten. Dagegen gerichtete Untätigkeitsklagen führen zwar oft zum Erfolg, sind gleichzeitig aber auch teuer. Jetzt entschied das Bundesverfassungsgericht (BVerfG), dass das Jobcenter allein die Gerichtskosten zu tragen hat.
Zu wenig Personal, zu viele Anträge – wer etwas vom Jobcenter will, braucht einen langen Atem. Doch Bürgergeld-Empfänger:innen sind nicht dazu verpflichtet, ewig zu warten. Sechs Monate hat das Jobcenter Zeit, Anträge zu bearbeiten. Danach können Sie eine Untätigkeitsklage beim Sozialgericht einreichen, um ein Handeln der Behörde zu erzwingen.
Genauso hat es eine Leistungsempfängerin aus Darmstadt gemacht: Nachdem das Jobcenter ihr zunächst zu viel Einkommen angerechnet hat, legte sie erfolgreich Widerspruch ein. Im Änderungsbescheid wies das Jobcenter die Frau darauf hin, dass sie sich die Kosten für das Widerspruchsverfahren auf Antrag zurückholen könne. Gesagt, getan. Doch die Behörde reagierte daraufhin nicht mehr. Nach Monaten klagte die Betroffene schließlich.
Achtung: Bearbeitungszeit des Jobcenters liegt bei drei bzw. sechs Monaten
Wie lange das Jobcenter für die Bearbeitung Ihrer Anträge bzw. Widersprüche hat, ist in §88 Sozialgerichtsgesetz (SGG) geregelt. Für Anträge gilt eine Frist von sechs Monaten. Widerspruchsverfahren dürfen dagegen nicht länger als drei Monate dauern.
SG: Jobcenter hätte früher informiert werden müssen
Im Verfahren erkannte das Jobcenter dann seinen Fehler und zahlte, sodass der Prozess vorzeitig endete. Doch auch im Rahmen der Untätigkeitsklage entstanden der Bürgergeld-Empfängerin Kosten, die sie nun zurückhaben wollte. Das Sozialgericht Darmstadt wies ihren Antrag auf Kostenübernahme jedoch ab.
Beiden Prozessparteien treffe eine Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme und Schadensvermeidung. Anstatt mutwillig drauflos zu klagen, hätte die Bürgergeld-Empfänger:in auch einfach beim Jobcenter nachfragen können, wie der Bearbeitungsstand aussieht. Ein Prozess hätte somit vielleicht ganz vermieden werden können. Da dies aber nicht der Fall war, könne man von der Klägerin wenigstens verlangen, das Kostenrisiko zu tragen.
Hinweis: Gericht entscheidet über Gerichtskosten
Wer zu welchem Teil die Gerichtskosten trägt, entscheidet das Sozialgericht nach „billigem Ermessen“ (§ 193 SGG). Solange seine Entscheidung fair und halbwegs nachvollziehbar ist, kann das Gericht somit frei entscheiden, welche Partei sich zu welchem Anteil an den Kosten beteiligen muss.
BVerfG: Auch das Jobcenter muss Fristen einhalten
Der Fall landete schließlich vor dem BVerfG. In seinem Urteil findet der erste Senat deutliche Worte: Die Entscheidung des SG verstoße gegen das Willkürverbot und verletze die Klägerin in ihren Rechten. Die Kosten für das Verfahren müssten vom Staat übernommen werden.
„Eine Pflicht, vor der Erhebung einer Untätigkeitsklage den Sachstand zu erfragen, besteht nicht generell, sondern nur unter besonderen Umständen des Einzelfalls“, so das BVerfG in seiner Begründung. Anhaltspunkte für einen so besonderen Einzelfall lagen aber nicht vor. Zudem habe der Gesetzgeber mit den Fristen in § 88 SGG ja schon Zeiträume festgelegt, die ein mutwilliges und vorzeitiges Klagen verhindern.
So wie einfache Bürger:innen den Ablauf einer Frist gegen sich gelten lassen müssen, können auch staatliche Organe sich nicht darauf berufen, vorher noch einmal von den Betroffenen angefragt zu werden. „Der Staat muss die gesetzlichen Fristen und etwaige Rechtsfolgen ebenso kennen und beachten wie Bürgerinnen und Bürger“, stellten die Richter:innen klar. Wer sich an die gesetzlichen Fristen hält – und genau das hat die Bürgergeld-Empfängerin ja getan – könne gar nicht mutwillig handeln.
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Das Bürgergeld soll denjenigen ein menschenwürdiges Leben ermöglichen, die sich nicht selbst versorgen können. Dazu gehört auch ein vernünftiges Dach über dem Kopf. Doch der Fall einer alleinerziehenden Mutter zeigt: Jobcenter lassen Leistungsempfänger:innen auch mal in einer völlig demolierten Wohnung leben.
Vor etwa einem Jahr berichteten wir über den Fall einer Grundschülerin, die für die Teilnahme an einem Schulprojekt zehn Euro zahlen musste. Damals weigerte sich das Jobcenter, diese Kosten zu übernehmen. Jetzt hat das Bundessozialgericht (BSG) über den Fall entschieden.
Die Weiterbildung von Arbeitslosen soll wesentlicher Bestandteil des Bürgergeldes sein. Dabei berücksichtigt die Politik bei der Vergabe der finanziellen Mittel oft nur den ersten Arbeitsmarkt. Langzeitarbeitslose mit psychischen oder körperlichen Beschwerden gucken nach wie vor in die Röhre.
Wer sich absichtlich oder grob fahrlässig in die Hilfebedürftigkeit manövriert, handelt sozialwidrig und hat keinen Anspruch auf Bürgergeld. Jobcenter legen die Definition von Sozialwidrigkeit oft aber sehr weit aus. Wir klären, welches Verhalten wirklich vorwerfbar ist und welches nicht.