Wer heiratet, will füreinander einstehen und bildet auch eine Bedarfsgemeinschaft – oder? Im Fall einer Kölner Familie ist die Sache allerdings nicht ganz so einfach. Denn was, wenn ein Ehepaar nie vorhatte, zusammenzuleben? Bilden sie trotzdem eine Bedarfsgemeinschaft?
Alleinerziehende heiratete Vater ihres Kindes
Eine mittellose, alleinerziehende Mutter lebt mit ihren Töchtern zusammen: Einer volljährigen Tochter und einer dreizehnjährigen. Sie bekommt Leistungen, alles geht seinen Gang. Bis sie 2018 noch einen Sohn bekommt und das dem Jobcenter mitteilt. Denn aus der Mitteilung entnimmt das Jobcenter, nicht nur, dass ein weiteres Kind zur Bedarfsgemeinschaft gehört, sondern auch, dass die Frau verheiratet ist.
Das Jobcenter fordert eine Stellungnahme an. Die Mutter erklärt, sie sei zwar verheiratet, habe aber nie mit ihrem Mann zusammengelebt und habe das auch nicht vor. Der Vater zahlen 550 EUR Unterhalt. Das Jobcenter stellt daraufhin die Leistungen ein und und fordert auch eine Erstattung von bereits gezahlten Leistungen in Höhe von 4.300 EUR. Die Frau soll die Vermögensverhältnisse ihres Mannes offenlegen.
Jobcenter: Kein Trennungswille erkennbar
Begründung des Jobcenters: Eine Ehe ist eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft. Schon bei der Hochzeit war den Ehepartnern klar, dass sie nicht zusammenleben wollen. Sie wollten aber trotzdem verheiratet sein. Also bilden sie auch in getrennten Wohnungen eine Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft. Nur weil die beiden nicht zusammenleben, heißt das nicht, dass sie sich trennen wollen.
Achtung: Einkommensanrechnung
Das Jobcenter rechnet Einkommen in einer Bedarfsgemeinschaft an. Wer mit seinem Ehemann oder seiner Ehefrau in einer Bedarfsgemeinschaft lebt, muss für den Lebensunterhalt des Partners oder der Partnerin zahlen.
Die Frau erklärt daraufhin, sie habe nur wegen ihrer Schwangerschaft geheiratet. Sie lebe aber räumlich getrennt von ihm und erwäge eine endgültige Trennung. Sie habe kein Einkommen außer Kindergeld und den besagten 550 EUR Unterhalt. Die Sache geht vor Gericht.
LSG: Frau hat Trennung glaubhaft gemacht
Das Sozialgericht Köln Gericht weist die Beschwerde ab. Das Landessozialgericht NRW aber entscheidet im Sinne der Klägerin. Das Jobcenter habe zwar Recht, wenn es annimmt, dass in dieser Konstellation eine räumliche Trennung nicht automatisch für einen Trennungswillen spricht. Wer getrennt lebt, müsse also nicht unbedingt auch getrennt sein.
Die Frau habe allerdings glaubhaft gemacht, dass sie nicht mehr als die 550 EUR für die Miete und das Kindergeld an Einkommen hat. Es sei plausibel, dass sie nur wegen der Schwangerschaft geheiratet hatte und auch nachvollziehbar, dass sie wegen der älteren Kinder nicht zu ihrem Mann ziehen wolle.
Sie gilt also vorerst als getrennt – und bekommt deswegen Leistungen, ohne dass die Vermögensverhältnisse ihres Mannes berücksichtigt werden. Die Rückforderung ist damit vom Tisch und sie bekommt Leistungen von Februar 2020 bis Juli 2020 nachgezahlt.
Quellen:
- Landgericht Nordrhein-Westfalen
- Az.: L 7 AS 436/20 B ER
Ein Paar hat trotz gemeinsamem Kind und Hochzeit nie zusammengelebt. Bilden die beiden eine eine Bedarfsgemeinschaft, obwohl sie getrennt leben?
Wie hat Ihnen dieser Beitrag gefallen?