Bei der Angemessenheit der Wohnung haben viele Jobcenter das geltende Recht ignoriert.

Angemessenheit der Wohnung bei Bürgergeld: Urteil schafft Klarheit

Die Übernahme der Kosten der Unterkunft (KdU) ist ein undurchsichtiger Vorgang. Sonderregelungen im Zuge der Corona-Pandemie und Neuerungen bei der Einführung vom Bürgergeld haben zusätzlich für Verwirrung gesorgt. Zahlreiche Jobcenter haben Vorschriften ignoriert – und damit gegen geltendes Recht verstoßen. Doch jetzt wendet sich das Blatt: Das Bundessozialgericht (BSG) stellt in einem Urteil klar, wie die Angemessenheit der Wohnung beim Bürgergeld zu bewerten ist. Aber: Kommt das Urteil zu spät?

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Übernahme der KdU: Handeln Jobcenter willkürlich?

Jeden Tag prüfen wir unzählige Bürgergeld-Bescheide. Immer wieder stellt sich uns die Frage: Was haben die Sachbearbeiter:innen sich dabei gedacht? Zugegeben, wir wissen es nicht! Was wir aber wissen, ist, worauf wir insbesondere bei der Übernahme der KdU schauen müssen und wann eine begrenzte Übernahme bzw. ein Kostensenkungsverfahren unzulässig ist.

Unser Erfolg gibt uns recht. Beispiele aus den vergangen Wochen belegen das:

  • 2.000,05 Euro haben wir für eine Mandantin erstritten, nachdem das Jobcenter die KdU unzulässig abgesenkt hat.
  • 56,00 Euro monatlich hat einer unserer Mandanten ab sofort mehr, weil das Jobcenter die KdU nicht in voller Höhe anerkannt hat.
  • 324,89 Euro erhielt eine Mandantin zurück, weil die Behörde die Angemessenheitsfiktion nach § 67 Abs. 3 SGB II (Zweites Sozialgesetzbuch) nicht beachtet hat.

Hinweis: Corona-Pandemie und Einführung von Bürgergeld

Sonderregelungen in Pandemie-Zeiten und neue Vorschriften mit der Einführung des Bürgergeldes sind die Top-Fehlerquellen bei der Festsetzung der KdU. Das erkennt auch der Gesetzgeber mit dem Urteil des BSG nun an und sorgt für Klarstellung.

Angemessenheitsfiktion: Regeln laut Urteil

Hinter der Angemessenheitsfiktion verbirgt sich die Aussetzung der Angemessenheitsprüfung über einen bestimmten Zeitraum. Vor allem in Zeiten von Corona verzichtete der Gesetzgeber vorübergehend auf die Prüfung von Miet- und Nebenkosten beim Bezug von damals noch Hartz 4. Die Angemessenheit der Wohnung wurde außer Acht gelassen.

Konkret bedeutete das: Die Unterkunfts- und Heizkosten von denjenigen, die zwischen dem 1. März 2020 und dem 31.12.2022 Hartz 4-Leistungen bewilligt bekamen, waren in aller Regel komplett zu übernehmen.

Ausnahmen galten nur bei Missbrauch dieser Regelung. Sprich, wenn sich jemand die Situation zunutze gemacht hat und in eine teurere Wohnung umgezogen ist, um die eigenen Wohnverhältnisse zulasten anderer zu verbessern. Doch selbst dann war eine Kostensenkung nur nach vorherigem Kostensenkungsverfahren möglich.

Wichtig: Kostensenkungsverfahren

Beim Kostensenkungsverfahren fordert das Jobcenter Sie dazu auf, Ihre KdU auf einen angemessenen Betrag zu senken. Oft bleibt nur ein Umzug. Dafür haben Sie sechs Monate Zeit. Gelingt Ihnen die Kostensenkung nicht, müssen Sie die Differenz zwischen Angemessenheit der Wohnung und Mehrbetrag selbst zahlen.

Viele Jobcenter missachteten diese Regelungen jedoch oder wandten sie nur begrenzt an. Mit der Einführung von Bürgergeld hörten die Probleme dabei nicht auf.

Bürgergeld und Angemessenheit der Wohnung

Auf die Pandemie folgte die Umstellung von Hartz auf Bürgergeld. Seit dem 1. Januar 2023 gilt bei den KdU eine sogenannte Karenzzeit. Für Bürgergeld-Beziehende, die erstmalig einen Antrag stellen, bedeutet das, dass die Angemessenheit der Wohnung im ersten Jahr des Leistungsbezugs nicht geprüft wird.

Doch auch hier zeigt sich immer wieder, dass sich Jobcenter nicht daran halten beziehungsweise zu Unrecht eine vollständige Kostenübernahme verweigern. Das geht auch aus unseren Beispielen hervor.

Gibt es Konsequenzen oder kommt das Urteil zu spät?

Die Missachtung der gesetzlichen Regelungen dürfte zu einem enormen Korrekturbedarf führen – wenn auch nicht bei allen Bürgergeld-Beziehenden. Eine Berichtigung kann ausschließlich bei Bescheiden erfolgen, die ab Januar 2023 erlassen wurden. Und das auch nur, wenn vorab ein Überprüfungsantrag gestellt wurde.

Damit sind zumindest rückwirkende Erstattungen für Bescheide ab dem 1. Januar 2023 möglich.

Ausgenommen von der Voraussetzung eines Überprüfungsantrages sind lediglich Verfahren, die die Nichtanwendung der Angemessenheitsfiktion betreffen, aufgrund des ausstehenden BSG-Urteils jedoch ruhen und nun fortgeführt werden.

Aussichten auf Erfolg bestehen, wenn:

  • nach sechs Monaten der Angemessenheitsfiktion eine Kürzung der Unterkunftskosten ohne Kostensenkungsverfahren erfolgt ist.
  • ein Kostensenkungsverfahren zwar erfolgt ist – jedoch nicht rechtskonform.

Vermuten Sie, dass das Jobcenter bei der Angemessenheit der Wohnung in Ihren Bescheiden Fehler gemacht hat? Wir unterstützen Sie gerne. In einem ersten Schritt prüfen wir dazu Ihren aktuellen Bürgergeld-Bescheid. In dem Zuge lässt sich auch herausfinden, ob Sie ggf. rückwirkende Ansprüche gegenüber dem Jobcenter haben. Wir sind an Ihrer Seite.

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Bildnachweis: AdobeStock/nicoletaionescu

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Geschrieben von: Paul zu Jeddeloh

Seit 2019 bereichert er unser Anwalts-Team und macht sich für die Rechte von Bürgergeld-Empfänger:innen stark. Soziale Ungerechtigkeiten räumt er aus dem Weg. Sein weitreichendes Know-how aus vergangenen Fällen und sein tiefgreifendes Wissen über aktuelle Entwicklungen im Sozialrecht verhelfen zahlreichen Ratsuchenden zum Recht.