Jobcenter wirft Hartz 4-Empfänger sozialwidriges Verhalten zu Unrecht vor

Urteil: Jobcenter verlangt Hartz 4-Rückzahlung zu Unrecht

Ein junger Mann verlor sein Ausbildungsverhältnis und erhielt daraufhin Hartz 4-Leistungen. Einige Monate später forderte das Jobcenter 3000 EUR zurück und warf dem Leistungsempfänger sozialwidriges Verhalten vor. Zu Unrecht wie das Bundessozialgericht jetzt urteilte.

Mehrfach unentschuldigtes Fehlen führte zu Kündigung

Der 1990 geborene Kläger nahm seit 2014 an einer außerbetrieblichen Berufsausbildung teil. Dort fehlte er jedoch mehrmals unentschuldigt.

  • Am 19.06.2015 wurde er deswegen vom Träger fristlos und mit sofortiger Wirkung gekündigt.
  • Am 25.06.2015 beantragte der nun Arbeitslose Leistungen nach dem ALG II.

Kosten der Unterkunft machte er nicht geltend, weil er noch bei seinen Eltern lebte. Das Jobcenter gewährte ihm die Leistungen und wies ihn zudem auf eine mögliche Ersatzpflicht nach § 34 SGB II hin. Der junge Mann beantragte die Leistungen dennoch.

Hinweis: Was bedeutet Ersatzpflicht nach § 34 SGB II?

Personen, die ab dem 18. Lebensjahr vorsätzlich oder grob fahrlässig die Voraussetzung für die Gewährung der Leistungen herbeiführen, können zum Ersatz der deswegen erbrachten Geld- und Sachleistungen verpflichtet werden. Als Herbeiführung gilt auch, wenn die Hilfebedürftigkeit erhöht, aufrecht erhalten oder nicht verringert wird. Der Ersatzanspruch umfasst auch geleistete Beiträge zur Sozialversicherung.

Leistungsempfänger soll 3000 EUR zurückzahlen

Mit einem Schreiben des Jobcenters vom 28.07.2015 wurde dem Leistungsempfänger vorgeworfen, seine Hilfebedürftigkeit vorsätzlich und grob fahrlässig herbeigeführt zu haben. Daher sei er nach § 34 SGB II zum Ersatz der gezahlten Leistungen verpflichtet. Den eingereichten Widerspruch wies das Jobcenter zurück, da für die Verantwortlichen ein sozialwidriges und vorsätzliches Verhalten vorliegt.

Mit einem Bescheid vom April 2016 machte das Jobcenter schließlich einen Ersatzanspruch in Höhe von fast 3000 EUR geltend. Zusätzlich kündigte das Jobcenter an, ab sofort monatlich 120 EUR gegen die laufenden Leistungen anzurechnen.

Sozialgericht stellt sich auf die Seite des Jobcenters

Der Leistungsempfänger legte Widerspruch gegen den entsprechenden Bescheid ein. In einem Erörterungstermin vor dem Sozialgericht Gelsenkirchen beteuerte er, dass er mehrfach um Hilfe bei dem pädagogischen Berater gebeten habe. Nach eigenen Angaben sei er vor allem mit der Schulsituation nicht zu Recht gekommen und habe gemerkt, dass die Form der Ausbildung nichts für ihn wäre. Der Betreuer bestätigte, dass mehrfach Gespräche stattgefunden haben.

Hinweis: Ersatzpflicht besteht nach Fahrlässigkeit

Ferner sei der Inhalt der Ausbildung für den jungen Mann nicht so schwer gewesen wie das pünktliche Erscheinen. Da er jedoch mehrfach unentschuldigt fehlte, folgte die fristlose Kündigung. Das Sozialgericht Gelsenkirchen war der Auffassung, dass der Kläger die Kündigung grob fahrlässig herbeigeführt habe. Der Bescheid des Jobcenters, mit dem Bestehen einer Ersatzpflicht, sei demnach zulässig.

BSG hält Jobcenter-Bescheide für rechtswidrig

Gegen das am 16.06.2017 zugestellte Urteil legte der Kläger Berufung ein. Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen hielt die Berufung für begründet. Das Sozialgericht habe die Klage zu Unrecht abgewiesen. Zudem seien die Bescheide rechtswidrig. Die Voraussetzungen einer Ersatzpflicht des Leistungsempfängers liegen demnach nicht vor.

Auf die Revision des Jobcenters hin wurde der Fall vor dem Bundessozialgericht erneut verhandelt. Dieses schloss sich in einem Urteil vom 29.08.2019 der Meinung des Landessozialgerichts an. Dieses habe zu Recht das sozialwidrige Verhalten des Klägers verneint. Das erforderliche, über eine Pflichtverletzung hinausgehende sozialwidrige Verhalten des Klägers sei nicht gegeben.

 

Quellen:

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Geschrieben von: Paul zu Jeddeloh

Seit 2019 bereichert er unser Anwalts-Team und macht sich für die Rechte von Bürgergeld-Empfänger:innen stark. Soziale Ungerechtigkeiten räumt er aus dem Weg. Sein weitreichendes Know-how aus vergangenen Fällen und sein tiefgreifendes Wissen über aktuelle Entwicklungen im Sozialrecht verhelfen zahlreichen Ratsuchenden zum Recht.

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