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Hartz IV: Sind Entschädigungszahlungen Einkommen?

Verkehrsunfälle, ärztliche Fehlbehandlung oder unsauber arbeitende Handwerker*innen – Schadensersatz- und Schmerzensgeldforderungen beschäftigen täglich tausende Menschen. Vielen Hartz IV-Empfänger*innen stellt sich in solchen Fällen oft die Frage, ob das Jobcenter etwaige Entschädigungszahlungen anrechnet. Stellen diese Einkommen dar?

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Auf die Zweckbestimmung kommt es an

Zunächst lohnt sich ein Blick ins SGB II. Dort heißt es in §11a Absatz 3: „Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden, sind nur so weit als Einkommen zu berücksichtigen, als die Leistungen nach diesem Buch im Einzelfall demselben Zweck dienen.”

Entschädigungen aus der öffentlichen Hand wie die sog. Conterganrente oder Entschädigungen nach §198 GVG wegen einer unangemessenen Verfahrensdauer vor Gericht würden also nur dann angerechnet, wenn diese existenzsichernden Charakter hätten. In letzterem Fall urteilte das Bundessozialgericht (BSG) erst kürzlich,, dass eine Anrechnung nicht erfolgen darf, weil die Entschädigung nach §198 GVG einen anderen Zweck verfolgt als die Grundsicherung.

Immaterielle Schäden sind nicht anrechnungsfähig

Viel eindeutiger ist die Rechtslage dagegen beim Ersatz von immateriellen Schäden. Zum Einen sind diese bereits durch Absatz 2 des §11a SGB II von einer Anrechnung ausgenommen. Zum anderen dient das Schmerzensgeld nach Auffassung vieler Gerichte als eine Art Kompensation für erlittenes Unrecht. Diese Kompensation dürfe nicht dadurch unterlaufen werden, dass das Jobcenter einen Großteil oder sogar alles davon abzweigt.

Hinweis: Schmerzensgeld bei Körperverletzung

In der Praxis wird Schmerzensgeld häufig bei Körperverletzungsdelikten an das Opfer gezahlt. Die Rechtsgrundlage dafür ist §253 Abs. 2 BGB.

Zuflussprinzip beim Schadensersatz

Uneinig sind sich die Gerichte bei der Frage, ob materieller Schadensersatz als Einkommen angerechnet werden kann. Während das Sozialgericht Frankfurt am Main im Mai 2013 entschied, dass eine Entschädigung wegen Nutzungsausfalls eines KfZ sehr wohl den Anspruch auf Hartz IV mindert, urteilte das BSG in einem anderen Fall, dass Schadensersatz bei einem Vermögensschaden kein Einkommen darstellt.

Tendenziell vertreten Gerichte aber eher die Auffassung des BSG. Denn bei der Einkommensberechnung gilt das sogenannte Zuflussprinzip. Einnahmen, die Hartz IV-Empfänger*innen nach Antragstellung zufließen, werden grundsätzlich wie Einkommen behandelt. Schadensersatzforderungen gleichen aber in der Regel nur Vermögenseinbußen aus. Ein Vermögenszuwachs entsteht hier gerade nicht. Daher ändert sich auch nichts an der Hilfebedürftigkeit von Hartz IV-Empfänger*innen. Eine Leistungskürzung ist daher nicht gerechtfertigt.

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Geschrieben von: Paul zu Jeddeloh

Seit 2019 bereichert er unser Anwalts-Team und macht sich für die Rechte von Bürgergeld-Empfänger:innen stark. Soziale Ungerechtigkeiten räumt er aus dem Weg. Sein weitreichendes Know-how aus vergangenen Fällen und sein tiefgreifendes Wissen über aktuelle Entwicklungen im Sozialrecht verhelfen zahlreichen Ratsuchenden zum Recht.

7 Antworten auf „Hartz IV: Sind Entschädigungszahlungen Einkommen?“

  1. Hallo liebes,Team. Ich bekam vom Jobcenter die Holzbrikett’s gezahlt, nun hab ich einen Schadensersatz von 200 Euro des Holzhändlers bekommen weil bei der Lieferung der selbigen die Verbundsteine in der Einfahrt meines Hauses beschädigt wurden, darf das Jobcenter den Betrag einbehalten?

    1. Hallo Birgit,
      ob das Jobcenter die Zahlung anrechnen darf, kann nur schwer pauschal beantwortet werden. Sollte das Jobcenter Forderungen stellen und einen entsprechenden Bescheid erlassen, lassen Sie den durch unsere Partneranwälte prüfen. Die legen auch Widerspruch für Sie ein, sofern Erfolgsaussichten bestehen.
      Wir raten Ihnen aber, das Jobcenter in jedem Fall über die Zahlung zu informieren.
      Viele Grüße

  2. Hallo liebes Team,
    Ich habe einen Unfall mit meinem Wagen gemacht und kriege den Wert des Wagens, von der Versicherung voll erstattet. Wird diese Erstattung vom Jobcenter als einkommen angerechnet??
    Danke im Vorraus

    1. Hallo Karrah,
      die Erstattung darf Ihnen nicht als Einkommen vom Jobcenter angerechnet werden.
      Viele Grüße

  3. Hallo liebes Team!

    Mein Partner und ich sind seit der Coronapandemie von hartz4 abhängig. Mein Partner ist mit einem An-und Verkaufsladen selbstständig. Es wurde im Geschäft eingebrochen und er hat den Schaden für die kaputte Türe und der gestohlenen Ware von der Versicherung bekommen. Er hat von dem Geld (nachweislich) wieder seinen Warenbestand hergestellt. Nun zur Frage. Darf das Jobcenter die Versicherungssumme als Einkommen anrechnen? Die verlangen sehr viel zurück. Vielleicht können Sie mir weiter helfen. Danke MfG

    1. Hallo Tanja,
      lassen Sie den Erstattungsbescheid durch unsere Partneranwälte prüfen. Ist die Forderung unrechtmäßig, wird Widerspruch eingelegt. Einzige Voraussetzung ist, dass der Bescheid nicht älter als einen Monat ist.
      Viele Grüße

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