zelte-auf-grüner-camping-wiese

Zelt als Unterkunft: Jobcenter muss Campingplatzkosten tragen

Kosten der Unterkunft (KdU) sind immer wieder ein Streitthema zwischen Bürgergeld-Empfänger:innen und dem Jobcenter. Meistens geht es dabei um die Frage, welche Kosten noch angemessen sind und welche nicht. Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen musste sich vor kurzem aber mit einer viel grundlegenderen Frage beschäftigen: Was genau zählt eigentlich als Unterkunft?

Bürgergeld-Bescheid kostenlos prüfen lassen

Stellplatzkosten als KdU?

Bei dem Wort “Unterkunft” denken wohl die wenigsten Menschen zuerst an ein Zelt auf einem Campingplatz. Und doch bleibt einigen in Zeiten von teuren Mieten und hohen Lebenshaltungskosten kaum etwas anderes übrig, als vorübergehend oder sogar ganz auf einem Campingplatz zu wohnen, wie der Fall eines Bürgergeld-Empfängers aus der Nähe von Köln zeigt.

Nach einem längeren Klinikaufenthalt sah sich der Mann mangels Alternativen dazu gezwungen, einen Zeltstellplatz anzumieten. Dreieinhalb Monate lebte er auf einem Campingplatz, bis er wieder stationär behandelt werden musste. Während des gesamten Zeitraumes bezog der Kläger Bürgergeld.

Als er die Stellplatzkosten gegenüber dem Jobcenter geltend machen wollte, lehnte dies jedoch ab. Ein Zelt stelle keine ernsthafte Unterkunft da, so die Begründung. Eine Unterkunft im Sinne des §22 Zweites Sozialgesetzbuch (SGB II) setze zwei Dinge voraus:

  • 1. Schutz gegen Witterung
    und
  • 2. Ein gewisses Maß an Privatsphäre (Dazu gehört auch die Möglichkeit, private Gegenstände zu verwahren)

Ein Zelt erfülle keine dieser Anforderungen. Es biete weder einen ausreichenden Schutz vor Wind und Wetter noch kann es als Rückzugsraum angesehen werden, in dem persönliche Gegenstände aufbewahrt werden können. Anders als Häuser oder Wohnungen sei ein Zelt nämlich nicht vor Einbrechern geschützt.

Nach einem erfolglosen Widerspruchsverfahren reichte der Leistungsempfänger schließlich Klage beim Sozialgericht ein.

Zelt und Campingplatz sind Unterkünfte

Sowohl das Sozialgericht als auch das Landessozialgericht gaben der Klage statt. Der Begriff der Unterkunft sei weiter zu verstehen als beispielsweise der Wohnungsbegriff, heißt es im Urteil. Ein Zelt könne – anders als das Jobcenter behauptet – durchaus als Unterkunft dienen, da es verschließbar und blickdicht ist. Somit hätten Zeltbesitzer einen nach außen hin erkennbaren Raum der Privatsphäre. Ob und wie gut dieser vor einem Einbruch geschützt ist, sei für die Einordnung als Unterkunft irrelevant.

Hinzu komme, dass der Bürgergeld-Empfänger mit dem Stellplatz gleichzeitig auch Zugang zu sanitären Anlagen und einen Stromanschluss habe. Zelt und Stellplatz ergäben zusammen also durchaus ein menschenwürdiges Existenzminimum.

LSG: Wohlwollende Auslegung erforderlich

Im Sozialrecht sei eine wohlwollende Auslegung des Merkmals “Unterkunft” geboten, betonte das Gericht. Setze man die Hürden für die Annahme einer Unterkunft zu hoch an, so würden mit Wohnungslosen oder armen Menschen gerade diejenigen vom Leistungsbezug ausgeschlossen werden, die ihn am dringendsten benötigen.

Weigert sich Ihr Jobcenter, die KdU anzuerkennen? Dann lassen Sie Ihren Bescheid kostenlos von unseren Partneranwältinnen und Partneranwälten prüfen. Auf Wunsch legen sie auch Widerspruch für Sie ein.

Bürgergeld-Bescheid durch unsere Partneranwälte kostenlos prüfen lassen

  • Komplett kostenlos
  • Hohe Erfolgsquote
  • Bis zu 650 Euro mehr im Jahr
Bescheid kostenlos prüfen
Sehen Sie unsere 125 Bewertungen auf

Quelle:

Wie hat Ihnen dieser Beitrag gefallen?

0 / 5 Gesamt: 4.77

Your page rank:

Geschrieben von: Paul zu Jeddeloh

Seit 2019 bereichert er unser Anwalts-Team und macht sich für die Rechte von Bürgergeld-Empfänger:innen stark. Soziale Ungerechtigkeiten räumt er aus dem Weg. Sein weitreichendes Know-how aus vergangenen Fällen und sein tiefgreifendes Wissen über aktuelle Entwicklungen im Sozialrecht verhelfen zahlreichen Ratsuchenden zum Recht.

3 Antworten auf „Zelt als Unterkunft: Jobcenter muss Campingplatzkosten tragen“

  1. Sehr geehrtes Team,
    immer wieder lese ich Ihrem Newsletter mit großem Interesse.
    Ich bin auch Bürgergeldempfänger, es dient zur Aufstockung meiner zu kleinen Rente.
    Können Sie auch für diese Bürger mit Rechtsberatung zur Seite stehen?
    Ich habe gegen meinen letzten Bescheid Widerspruch erhoben. Bei einer Rentenerhöhung, die ja erst Ende d.M. Ausgezahlt wird, hat mir das LRA München schon die Erhöhung für den laufenden Monat berechnet, wodurch die Erhöhung für mich komplett wegfällt.
    Bis jetzt ( Ende Juli) habe ich noch keine Antwort bekommen.
    Falls der Einspruch( wo ich von Ausgehen muss) Abgelehnt wird, kann ich dann vielleicht bei Ihnen Hilfe erhalten ?
    Immerhin sparen sich die Behörden jährlich bei einer Erhöhung der Renten von5,86% 21 Millionen Euro. Das kann doch nicht Rechtens sein?!?

    Oder können Sie mir Jemand nennen, an den ich mich in so einem Fall wenden kann?

    Das würde mich sehr freuen.

    Mit freundlichen Grüßen

    1. Hallo,
      unsere Partneranwälte können nur unterstützen, wenn ein aktueller Bürgergeld-Bescheid zwecks Widerspruch vorliegt. Wurde bereist Widerspruch erhoben, können wir leider nichts mehr für Sie tun, Beratungsleistungen abseits einer Bescheid-Prüfung bieten wir nicht an. Wenden Sie sich an eine Sozialberatung bei Ihnen vor Ort, um zu schauen, welche Möglichkeiten sich Ihnen weiterhin bieten.
      Viele Grüße

Ältere Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert