Ein Hartz 4-Bezieher muss auch nach Ende seines Hartz 4-Bezuges das Mietkautionsdarlehen vom Jobcenter nicht zurückzahlen.

Urteil: Hartz 4-Bezieher muss Darlehen für Kaution nicht zurückzahlen

Ein Berliner im Hartz 4-Bezug hatte ein Darlehen vom Jobcenter bekommen, um die Kaution für seine Mietwohnung zu bezahlen. Als er ins Rentenalter kam, wechselte er zum Sozialamt, weil seine Rente nicht zum Leben ausreichte. Seitdem bekommt er von dort Grundsicherung im Alter. Das Jobcenter nahm diesen Wechsel zum Anlass, das Darlehen für die Kaution zurückzufordern.

Es folgten jahrelange Streitereien, bei denen das Jobcenter den Fälligkeitstermin zwar immer weiter verschob, aber trotzdem nicht von der Forderung abrückte. Das war so nicht in Ordnung, entschied am 04.05.2019 das Berliner Sozialgericht und verbot dem Jobcenter, die Forderung vollstrecken zu lassen.

Jobcenter gewährte Mietkautionsdarlehen

2009 war der Mann mit seiner Ehefrau in eine neue Wohnung gezogen und hatte für die Kaution ein Darlehen beim Jobcenter beantragt. Das hatte ihm das Jobcenter auch bewilligt. Außerdem hatte das Jobcenter mitgeteilt, der Mann müsse das Darlehen ans Jobcenter zurückzahlen, wenn sein Mietvertrag endet oder “mit Beendigung der Hilfebedürftigkeit […]”, also nach Beendigung des Bezuges von Arbeitslosengeld II. Das sind Standardformulierungen vieler Jobcenter. 

Auf den ersten Blick klingt der Jobcenter-Text auch vernünftig. Wenn Sie ein Darlehen für die Kaution bekommen und dann aus der Wohnung ausziehen, bekommen Sie die Kaution im Normalfall ja zurück. Also können Sie auch das Darlehen dann zurückzahlen. Wenn Sie keine Hilfe vom Staat mehr benötigen, haben Sie anscheinend einen Job gefunden und verfügen über Einkommen – also können Sie das Darlehen auch zurückzahlen. 

ALG II-Empfänger ging in Rente

Der Fall des Berliners lag aber ein bisschen anders. Der Mann beendete zwar den Bezug von ALG II, aber nur weil er mit Erreichen des Rentenalters keinen Anspruch mehr darauf hatte. Seine Rente war aber so gering, dass er weiterhin Hilfe vom Staat brauchte, und zwar in Form von monatlich 309 EUR Grundsicherung im Alter vom Sozialamt zusätzlich zu seiner Rente. Er bekam also kein Hartz 4 mehr, war aber trotzdem noch hilfebedürftig.

Hinweis: Schulden können in Raten beglichen werden

Das Jobcenter sah die Sache so: Der Mann bekam ab 2010 kein ALG II mehr, muss also ab diesem Zeitpunkt sein Darlehen zurückzahlen. Wie er das macht, ist seine Sache. Wenn er nicht die vollen 1.460 Euro zahlen kann, soll er einer monatlichen Ratenzahlung zustimmen und seine Schulden abstottern.

Rentner beantragte Stundung

Der Standpunkt des Rentners: Er ist nach wie vor auf staatliche Hilfe angewiesen und das Jobcenter soll deswegen die Forderung dauerhaft stunden. Das Jobcenter hätte also wohl zu Lebzeiten des Mannes kein Geld zurückbekommen. Eine Ratenzahlung lehnte der Mann ab – sein Einkommen liege unter der Pfändungsfreigrenze.

Der Streit zog sich über Jahre hin. Das Jobcenter forderte immer wieder Geld, der Rentner legte immer wieder Widerspruch ein. Sogar das Sozialamt versuchte zu intervenieren und das Jobcenter zu einer anderen milderen Vorgehensweise zu bewegen. 2019 schließlich beauftragte das Jobcenter das Hauptzollamt, die Forderung zu vollstrecken und der Rentner wandte sich ans Sozialgericht.

BSG: Jobcenter darf nicht mit Vollstreckung drohen, um Ratenzahlung zu erzwingen

Das Berliner Sozialgericht entschied nun: Das Jobcenter darf mit der Vollstreckung nicht fortfahren. Es muss sich also damit zufrieden geben, dass der Mann in der vorhersehbaren Zukunft das Darlehen nicht zurückzahlen wird.

Hinweis: Begründung für BSG-Urteil

Der Grund für die Entscheidung sind die Formfehlern des Jobcenters und der oben zitierten Formulierung im Darlehensbescheid. Durch die Klammern bei “(nach Beendigung des Bezuges von Arbeitslosengeld II)” sei ersichtlich, dass das Ende das ALG II-Bezugs nur als Beispiel zu verstehen sei.

Zusätzlich rügte das Gericht die Vorgehensweise des Jobcenters. Anscheinend wolle man den Rentner mit Ratenzahlungsvereinbarungen unter Druck setzen, obwohl sein Vermögen und Einkommen unter der Pfändungsfreigrenze liegen. Dafür gebe es keine Rechtsgrundlage. In diesem Fall sei die Tilgung eines Mietkautions-Darlehens durch monatliche Aufrechnung mit Hilfeleistungen nicht zulässig.

Wie hat Ihnen dieser Beitrag gefallen?

0 / 5 Gesamt: 5

Your page rank:

Geschrieben von: Paul zu Jeddeloh

Seit 2019 bereichert er unser Anwalts-Team und macht sich für die Rechte von Bürgergeld-Empfänger:innen stark. Soziale Ungerechtigkeiten räumt er aus dem Weg. Sein weitreichendes Know-how aus vergangenen Fällen und sein tiefgreifendes Wissen über aktuelle Entwicklungen im Sozialrecht verhelfen zahlreichen Ratsuchenden zum Recht.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert