Wer sich absichtlich oder grob fahrlässig in die Hilfebedürftigkeit manövriert, handelt sozialwidrig und hat keinen Anspruch auf Bürgergeld. Jobcenter legen die Definition von Sozialwidrigkeit oft aber sehr weit aus. Wir klären, welches Verhalten wirklich vorwerfbar ist und welches nicht.
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Jobcenter fordert 51.000 EUR wegen abgebrochener Ausbildung zurück
Immer wieder hört man von absurden Rückforderungen, die das Jobcenter Leistungsbezieher:innen stellt. Oft berufen sich die Jobcenter dann auf angebliches sozialwidriges Verhalten. So auch in einem aktuellen Fall des Landessozialgerichts (LSG) Bremen-Niedersachsen. Ein 28-jähriger Bürgergeld-Empfänger aus Salzgitter wurde dazu aufgefordert, satte 51.000 EUR an das Jobcenter zurückzuzahlen.
Die Begründung, die das Jobcenter anführt, ist ebenso absurd, wie die Summe: Weil der Mann vor acht Jahren seine Ausbildung zum Elektriker abgebrochen hat, sei er selbst verschuldet in den Leistungsbezug geraten. Das Jobcenter sieht darin ganz klar ein sozialwidriges Verhalten und fordert nun das Geld zurück, das jahrelang „unberechtigterweise“ an ihn gezahlt wurde.
Hinweis: Jede:r vierte bricht Ausbildung ab
Der Berufsbildungsbericht 2022 zeigt, dass 2021 25,1 % aller Ausbildungsverträge wieder gelöst wurden. Jeder vierte Azubi hat seine Lehre also abgebrochen.
LSG: Abgebrochene Ausbildung ist nicht sozialwidrig
Nun lag es am LSG, den Streit zwischen Jobcenter und Bürgergeld-Empfänger zu schlichten. Vor Gericht bekam der Grundsicherungsempfänger Recht. Zwar könne der Abbruch einer Ausbildung den Anspruch auf Grundsicherung ausschließen. Das sei aber nur dann der Fall, wenn der Verlust des Ausbildungsplatzes kausal für die Hilfebedürftigkeit ist.
Dafür gäbe es im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte, so die Richter:innen. Das Jobcenter habe lediglich Spekulationen darüber angestellt, wie der weitere berufliche Werdegang des Klägers ausgesehen hätte, wenn er die Ausbildung abgeschlossen hätte. Das reiche nicht aus.
Außerdem verstoße es gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip und das Prinzip des Förderns und Forderns, wenn das Jobcenter einen Bürgergeld-Empfänger wegen einer „Jugendsünde“ in den finanziellen Ruin treibt.
Das steckt hinter der Sozialwidrigkeit
Es ist nicht der erste absurde Fall im Zusammenhang mit der Sozialwidrigkeit. Der durchaus schwammige Begriff verleitet viele Jobcenter dazu, unsinnige Rückforderungen zu verhängen. So sollte eine Grundsicherungsempfängerin beispielsweise 7.100 EUR zahlen, weil sie ihren Job an den Nagel gehängt hat, um ihre kranke Mutter pflegen zu können.
Doch wann genau liegt denn nun sozialwidriges Verhalten vor? Eine pauschale Antwort auf diese Frage gibt es leider nicht. Entscheidend sind nämlich vor allem die Umstände des Einzelfalls, wie die Bundesagentur für Arbeit in ihrer Weisung an die Jobcenter betont. Dennoch gibt es ein paar Punkte, an denen sich Jobcenter und Gerichte bei ihrer Bewertung orientieren:
- Das Handeln muss auf den Wegfall der Existenzgrundlage gerichtet sein oder diesen zumindest billigend in Kauf nehmen. Ein „einfacher“ Jobverlust ist nicht sozialwidrig.
- Es muss einen kausalen Zusammenhang zwischen Verhalten und Hilfebedürftigkeit geben. Die Hilfebedürftigkeit muss eine direkte Folge der umstrittenen Handlungen sein.
- Billigen Rechtsvorschriften das Verhalten (z.B. die Inanspruchnahme von Elternzeit nach § 15 des Bundeselterngeld- und Elternteilzeitgesetzes), so ist die Sozialwidrigkeit ausgeschlossen.
Wirklich sozialwidriges Verhalten ist aufgrund der hohen rechtlichen Hürden ein absoluter Ausnahmefall. Dementsprechend oft entscheiden Sozialgerichte zugunsten der Bürgergeld-Empfänger:innen. Wenn Sie eine Rückforderung von Ihrem Jobcenter erhalten, sollten Sie diese also immer anwaltlich prüfen lassen. Unsere Partneranwältinnen und Partneranwälte übernehmen checken Ihre Bescheide kostenlos für Sie.
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