Die Grünen legten im Juni 2019 ein Konzept für eine Kindergrundsicherung vor.

Reformbedarf bei Hartz 4: Grüne und Linke legen Konzepte vor

Hartz 4 ist ein umstrittenes Konzept. Seit der Einführung vor knapp 15 Jahren reißt die Kritik am ALG II nicht ab. Dass gerade die Leistungen für Kinder und Familien zu bürokratisch und zu knapp bemessen sind, führt regelmäßig die Beschwerdelisten von Betroffenen- und Sozialverbänden an. An politischen Plänen, wie die Situation verbessert werden soll, herrscht kein Mangel. 

Doch bisher drehte die Politik eher an einzelnen Stellschrauben, als dass sie tiefgreifende Veränderungen verabschiedete. Linke und die Grüne legten jetzt eigene Konzepte vor, wie sie die Situation von Familien mit kleinen und mittleren Einkommen verbessern wollen.

Grüne wollen Kindergrundsicherung statt Hartz 4

Die Grünen legten im Juni 2019 ein Konzept für eine Kindergrundsicherung vor. Danach sollen

  • ALG II-Zahlungen
  • Kindergeld
  • Kinderzuschlag und
  • Leistungen für Bildung und Teilhabe

künftig durch eine Sozialleistung ersetzt werden: Einem Garantiebetrag von 280 EUR im Monat.

Hinweis: 10 Millionen Euro für Fördergelder geplant

Je nachdem, wie viel die Eltern verdienen und wie alt die Kinder sind, soll ein GarantiePlus-Betrag die Förderung auf bis zu maximal 503 EUR aufstocken. Die Linke, die bisher eher als liberal gilt, will mit dem Konzept ihr soziales Profil schärfen. Woher die 10 Millionen für das neue Förderpaket kommen sollen, haben die Grünen bisher nicht erklärt.

Automatische Auszahlung soll kommen

Vielleicht die wichtigste Neuerung aus dem grünen Grundsicherungskonzept: Das Geld soll einmal beantragt und den Eltern danach automatisch zukommen – also, ohne dass sie dafür extra neue Anträge stellen müssen. Für diese Idee stand wohl Österreich Pate, denn dort gibt es schon seit einiger Zeit die komplett antragsfreie Kindergeldauszahlung.

Damit der Papierkrieg allerdings wirklich drastisch reduziert wird, müssten die Eltern den zuständigen Behörden erlauben, untereinander Informationen über sie auszutauschen. Diese Zustimmung zum Datenaustausch soll freiwillig sein – das Konzept dürfte aber trotzdem Datenschützer auf den Plan rufen. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Göring-Eckardt sagt dazu nicht ohne eine gesunde Portion Pathos: “Wir wollen, dass Zeit für Kinder da ist, nicht für Formulare.”

Mehr- und Einmalbedarfe sollen bleiben

Was aus dem aktuellen Sozialsystem bleiben würde: Mehr- und Einmalbedarfe. Wer also entweder einmalig (beispielsweise für Kinderzimmerausstattung) oder regelmäßig (beispielsweise wegen einer Behinderung) zusätzliches Geld braucht, soll es wie bisher beantragen können. Die Grünen veranschlagen 10 Milliarden Euro für ihr Gesetzesvorhaben.

Linke will Regelsatz auf 582 EUR erhöhen

Die Linke will Hartz 4 schon seit seiner Einführung 2006 wieder abschaffen. Zumindest will sie die Sätze drastisch anheben. In diesem Kontext beantragte die Partei diesen Monat, den Hartz 4-Regelsatz auf 582 EUR anzuheben. Sie kritisiert das bisherige Modell, nach dem sich der Satz berechnet. Die Regelsätze orientieren sich derzeit an einer Verbrauchsstatistik.

Arme Menschen, die aber keine Sozialleistungen bekommen, gelten hier als Vergleichsgruppe. Nur fehlen bei der Berechnung der Ausgaben einige Posten. Das Bundesministerium für Arbeit argumentiert, es würden nur Beträge für Zigaretten, Alkohol und andere nicht notwendige Dinge gestrichen. Die Linke führt dagegen an, die Bedarfe würden systematisch kleingerechnet.

Hinweis: Linke kritisiert Regelsatz als falsch berechnet

Die Linke beklagt die Auswahl der Vergleichsgruppe und auch die Auswahl der offiziell notwendigen Ausgaben. Würde die Berechnung richtig durchgeführt, so argumentiert sie, dann müsste der Regelsatz für Alleinstehende statt den aktuellen 424 EUR bei 582 EUR liegen.

Hinter der Forderung, den Hartz 4-Regelsatz anzuheben, steht ein breites Bündnis von Sozialverbänden von Diakonie über DGB und AWO bis hin zu Arbeitslosengruppen und Alleinerziehendenverbänden. Auch das Bundeverfassungsgericht habe die Berechnung nur als “derzeit noch” verfassungskonform eingestuft.

Hinweis der Redaktion: Regelsatzerhöhung für 2020 verabschiedet

Die Regelsätze für 2020 wurden im September 2019 verabschiedet. Alleinstehende bekommen ab Januar 2020 acht Euro mehr, also 432 EUR.

Gleiches Geld für Partner

Die Linke will zusätzlich abschaffen, dass Menschen, die in einer Partnerschaft leben, weniger Geld bekommen als Alleinstehende. Die aktuelle Gesetzgebung gewährt Partnern nur jeweils 90 % des normalen Regelsatzes. Die Berechnungsgrundlage belege keine Einspareffekte. Mit anderen Worten: Wer zu zweit zusammenlebt braucht doppelt so viel Geld zum Leben wie eine alleinstehende Person.

Weil sich die Regelsätze für alle Menschen im Hartz 4-Bezug nach dem Regelsatz für Alleinstehende richten, würde die Erhöhung auf 582 EUR für Erwachsene auch entsprechende Regelsatzerhöhungen für Kinder mit sich bringen. 

 

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Geschrieben von: Dr. Philipp Hammerich

Er promovierte an der Universität Hamburg und arbeitet u.a. als Dozent und Gesellschafter für das juristische Repetitorium Hemmer sowie den Fachanwaltslehrgang und die Wirtschaftsprüferausbildung von econect. Als Mitgründer der Legal Tech Kanzlei rightmart und als Anwalt von hartz4widerspruch.de gibt er seine Einschätzung zu politischen und juristischen Entwicklungen im Bereich Bürgergeld.

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