Menschen mit Behinderung klagen auf Kostenübernahme

Menschen mit Behinderung klagen auf Kostenübernahme

Deutsche Sozialgerichte befassten sich mit zwei ähnlich gelagerten Klagen. Es ging um Menschen mit Behinderungen, die Leistungen nach SGB XII beziehen. Sie klagten auf Kostenübernahme. In einem Fall für die barrierefreie Umgestaltung der Mietwohnung. In dem anderen Fall für die Anschaffung eines behindertengerechten Fahrzeugs. Beide Klagen wurden abgewiesen.

Klage auf Kostenübernahme für Wohnungsumbau

Das Sozialgericht Hamburg beschäftigte sich mit der Klage einer 84-Jährigen, die seit 30 Jahren in einer Mietwohnung lebt. Sie erwartete vom zuständigen Sozialamt die Kostenübernahme für den behindertengerechten Umbau der Wohnung. Das Sozialamt hatte abgelehnt. Es kam zum Verfahren vor dem Sozialgericht.

Die Frau bezog neben ihrer Altersrente aufstockend Grundsicherung. Anerkannt war der Pflegegrad 3. Um sich in ihrer Wohnung fortbewegen zu können, brauchte sie einen Rollstuhl.

Forderung nach 21.000 EUR abgelehnt

Der Kostenvoranschlag für den Umbau belief sich auf 21.000 EUR. Ihren Anspruch begründete die 84-Jährige damit, dass die behindertengerechte Umgestaltung der Wohnung die häusliche Pflege wesentlich erleichtern und ihr ermöglichen würde, ihren Alltag teilweise selbständig zu bewältigen. Außerdem wollte sie in ihrem vertrauten Umfeld bleiben. Sie plante die Neugestaltung des Badezimmers, den barrierefreien Zugang zur Terrasse und Umbauten in der Küche.

Das Gericht sah die Zulässigkeit ihrer Klage, hielt aber dagegen, dass die Kosten unangemessen seien. Das Ziel der Umbauten liege darin, die häusliche Pflege zu erleichtern. Diese wäre auch mit einem Umzug in eine barrierefreie Wohnung zu erreichen. Erschwerend kam hinzu, dass die Umbauten nicht allein den Pflegebedürfnissen dienten, sondern den Wohnwert verbesserten. Außerdem hatte die Frau nach einer geeigneten Wohnung gar nicht erst gesucht. Das Gericht ließ offen, ob es geringeren Kosten zugestimmt hätte.

Was ist „Soziale Teilhabe“?

Festgelegt ist sie im Sozialgesetzbuch. Leistungsberechtigte werden dabei unterstützt, ein möglichst selbstbestimmtes Leben im eigenen Wohnraum sowie ihrem Sozialraum führen zu können. Darin enthalten sind Leistungen für

  • Betreuung
  • Mobilität
  • den Erwerb praktischer Kenntnisse
  • die Förderung der Verständigung

Klage auf Kostenübernahme für ein rollstuhlgerechtes Auto

Vor dem Landessozialgericht Saarbrücken wurde in Revision der Fall einer 30-Jährigen verhandelt. Dieser ist dauerhaft auf einen Rollstuhl angewiesen. In seinem Alltag hilft im ein 24 Stunden zur Verfügung stehender Assistent. Er erhält Leistungen nach Pflegegrad 4 und verlangte die Kostenübernahme für

  • Anschaffung
  • Umbau
  • sowie Unterhalt

eines Autos. Seinen Anspruch begründete er mit seinem Recht auf soziale Teilhabe. Fahrten zum Stadion, spontane Besuche bei Freunden und Verwandten wären ohne Auto nicht möglich.

Das Gericht wies auch diese Klage ab. Zwar habe der Kläger einen Anspruch auf Leistung zur Teilhabe am Gemeinschaftsleben, aber dies sei für ihn auch ohne eigenen Wagen erlangbar. Öffentliche Verkehrsmittel seien mit dem Rollstuhl leicht zu erreichen und würden über einen barrierearmen Zugang verfügen. Außerdem stünden ihm Behindertenfahrdienste und Taxis zur Verfügung, für die die Kosten bereits übernommen wurden.

Unangemessene Kosten

In beiden Fällen hielten die Sozialgerichte die zur Geltung gebrachten Kosten für unangemessen. Als Vergleich diente die soziale Situation, in der sich andere befinden, die keine Leistungen beziehen. Konkret bedeutet dies:

  • Im Fall der Frau, dass viele alte Menschen nicht in ihrem angestammten Wohnumfeld bleiben können und umziehen müssen.
  • Im Fall des 30-Jährigen: Dass auch andere, die in „bescheideneren Verhältnissen“ leben, ohne Auto die soziale Teilhabe erreichen könnten. Die Eingliederung hinge nicht vom Besitz eines Autos ab. Eine Ausgrenzung finde nicht statt.

Die Urteile im Überblick

Die Ansprüche an das Sozialamt sind in beiden Fällen grundsätzlich anerkannt worden. Die gesellschaftliche Teilhabe ist ein wesentlicher Faktor, der auch vor Gericht Berücksichtigung findet. Allerdings müssen die Mittel, die dafür eingesetzt werden sind, unentbehrlich sein. Der Umbau der Wohnung war nicht unentbehrlich für die selbständige Lebensführung der 84-Jährigen. Dies könnte auch durch einen Umzug erreicht werden.

Ebenso wenig ist der Besitz eines Fahrzeugs unentbehrlich für den 30-Jährigen. Die öffentlichen Verkehrsmittel sind barrierearm benutzbar. Ein Empfänger von Leistungen darf nicht besser gestellt werden, als jemand, der mit geringem Einkommen seine Lebensverhältnisse bewältigt.

 

Quellen:

Az. S 10 SO 222/19 ER
Az. L 11 SO 14/17

 

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Geschrieben von: Paul zu Jeddeloh

Seit 2019 bereichert er unser Anwalts-Team und macht sich für die Rechte von Bürgergeld-Empfänger:innen stark. Soziale Ungerechtigkeiten räumt er aus dem Weg. Sein weitreichendes Know-how aus vergangenen Fällen und sein tiefgreifendes Wissen über aktuelle Entwicklungen im Sozialrecht verhelfen zahlreichen Ratsuchenden zum Recht.

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