Junge Erwachsene müssen zu Unrecht erhaltene Leistungen nur begrenzt zurückzahlen

Leistungsrückzahlungen gelten für junge Erwachsene nur begrenzt

Wer Leistungen nach dem SGB II zu Unrecht erhalten hat, muss diese für gewöhnlich zurückerstatten. Anders ist das bei Minderjährigen, die während des Leistungsbezuges ihr 18. Lebensjahr vollenden. Jugendliche müssen im Falle eines Rückerstattungsbescheides nur das bei Eintritt ihrer Volljährigkeit vorhandene Vermögen an das Jobcenter zurückzahlen.

Nur vorhandenes Vermögen muss zurückgezahlt werden

So lautet ein Urteil des Bundessozialgerichts (Az. B 4 AS 43/17 R). Grund ist die sogenannte Beschränkung der zivilrechtlichen Minderjährigenhaftung. Diese Regel ist ursprünglich im Bürgerlichen Gesetzbuch verankert (BGB) und gilt für das BSG dementsprechend auch in Bezug auf die Minderjährigenhaftung im SGB II.

Tipp: Minderjährigenhaftung auch bei Volljährigkeit möglich

Junge Volljährige können sich auch noch auf die Beschränkung der Minderjährigenhaftung berufen, wenn sie während des gerichtlichen Verfahrens gegen den Erstattungsbescheid bereits volljährig geworden sind. Die Folge: Im Falle eines Rückerstattungsbescheides muss nur das bei Eintritt der Volljährigkeit vorhandene Vermögen an das Jobcenter zurückgezahlt werden.

Klägerin lebte mit ihrer Mutter in einer Bedarfsgemeinschaft

Grund für die Verhandlung vor dem Bundessozialgericht war der folgende Sachverhalt: Umstritten war, ob eine inzwischen volljährig gewordene Klägerin nur begrenzt für eine Erstattungsforderung des beklagten Jobcenters haftet. Als Teil einer Bedarfsgemeinschaft bezog die im Juli 1997 geborene Klägerin mit ihrer Mutter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Die Eltern der jungen Frau lebten getrennt.

  • Vom 01.07.2011 bis 30.11.2011 bewilligte das Jobcenter den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft Hartz 4-Leistungen.
  • Am 30.08.2011 verpflichtete sich der Vater des Mädchens gegenüber dem Jugendamt, Unterhalt in Höhe von 100 Euro monatlich zu leisten.
  • Am 31. August 2011 erfolgten die beiden ersten Zahlungen für die Monate Juli und August.

Jobcenter fordert 500 Euro von der Minderjährigen zurück

Am 15.11.2011 hob das Jobcenter den Bewilligungsbescheid für den Zeitraum vom 01.07.2011 bis 30.11.2011 für die damals Minderjährige wieder auf. Zudem forderten sie die junge Frau auf, 500 EUR an das Jobcenter zurückzuzahlen. Im Zuge des daraus resultierenden Widerspruchsverfahrens ermäßigte das Jobcenter die Erstattung für Juli auf 400 EUR aufgrund einer fehlerhaften Einkommensberücksichtigung. Der Widerspruch der Klägerin wurde jedoch zurückgewiesen. Es folgten Klagen vor dem Sozialgericht, dem Landessozialgericht und dem Bundessozialgericht.

Klägerin vollendete während des Verfahrens ihr 18. Lebensjahr

Während des Klageverfahrens vollendete die Klägerin im Juli 2015 ihr 18. Lebensjahr. Sie bezog weiterhin Hartz 4-Leistungen. Das LSG vertrat in einem Urteil vom September 2017 die Auffassung, dass dem Rückforderungsverlangen des Jobcenters die Beschränkung der Minderjährigenhaftung nach § 1629a BGB entgegenstehe.

Das hat zur Folge, dass die Klägerin nur das bis zur Höhe des bei Eintritt ihrer Volljährigkeit vorhandenen Vermögens an das Jobcenter zurückerstatten muss. Diese Regel greife auch, obwohl die Volljährigkeit erst während des Klageverfahrens eingetreten ist. Die Klägerin verfügte nach den Feststellungen des LSG zum maßgeblichen Zeitpunkt des Eintritts in die Volljährigkeit allerdings über kein pfändbares Vermögen, um die Erstattungsforderung zu erfüllen.

BSG vertritt selbe Auffassung wie LSG

Das Jobcenter legte gegen die Entscheidung Revision ein. Ohne Erfolg, denn das BSG schloss sich dem Urteil des LSG im November 2018 an. Demnach habe das LSG zutreffend entschieden, dass das Erstattungsverlangen des Beklagten gegenüber der Klägerin nach den Grundsätzen der beschränkten Minderjährigenhaftung rechtswidrig ist und sie in ihren Rechten verletzte.

 

Quelle:

Az. B 4 AS 43/17 R

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Geschrieben von: Paul zu Jeddeloh

Seit 2019 bereichert er unser Anwalts-Team und macht sich für die Rechte von Bürgergeld-Empfänger:innen stark. Soziale Ungerechtigkeiten räumt er aus dem Weg. Sein weitreichendes Know-how aus vergangenen Fällen und sein tiefgreifendes Wissen über aktuelle Entwicklungen im Sozialrecht verhelfen zahlreichen Ratsuchenden zum Recht.

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