Von dem erhöhten Kindergeldsatz haben Hartz IV-Familien keinen Vorteil.

Kindergelderhöhung: Kein Vorteil für Hartz 4-Familien

Sie leben in einem Haushalt mit einem Kind unter 18 und beziehen Geld vom Jobcenter? Dann dürften Sie in den vergangenen Tagen einen Änderungsbescheid im Briefkasten gefunden haben. Darin steht vermutlich, dass Sie ab jetzt weniger Geld vom Jobcenter bekommen als bisher.

Hintergrund ist die Kindergelderhöhung zum 01.07.2019. Ihr Kindergeld wird voll auf den Hartz 4-Satz angerechnet, sodass Sie nun zwar 10 EUR mehr Kindergeld pro Kind bekommen, Ihr Hartz 4-Satz aber entsprechend gekürzt wird.

Achtung: Richtigkeit der Umstellung prüfen

Von der Kindergelderhöhung kommt also bei Hartz 4-Beziehern nichts an. Wenn Sie sich unsicher sind, ob das Jobcenter die Umstellung bei Ihnen korrekt vorgenommen hat, lassen Sie Ihren Bescheid unbedingt von einem Anwalt prüfen.

Verschiedene Leistungen für Familien

Die meisten Menschen mit Kindern im Leistungsbezug kennen das: Sie müssen nicht nur Geld vom Jobcenter beantragen, sondern zusätzlich Geld von verschiedenen anderen Stellen. Frisch gebackene Eltern werden vom Jobcenter aufgefordert, Elterngeld und Kindergeld zu beantragen, Alleinerziehende müssen häufig zusätzlich noch einen Antrag auf Unterhaltsvorschuss stellen.

Das bedeutet viel Papierkram für die meisten Eltern, denn jedes Mal, wenn sich an einer dieser Stellschrauben etwas ändert, ändert sich auch die Leistung vom Jobcenter. Das liegt daran, dass alle diese Sozialleistungen voll auf das ALG II angerechnet werden.

Kindergelderhöhung bedeutet weniger Geld vom Jobcenter

Zum 01.07.2019 ist es wieder so weit: Eine Sozialleistung für Eltern ändert sich. Das Kindergeld wird angehoben. Eltern bekommen für jedes Kind nun 10 EUR mehr. Für das erste und zweite Kind gibt es also 204 EUR statt 194 EUR. Für das dritte Kind steigt der Satz von 200 EUR auf 210 EUR und ab dem vierten Kind bekommen Eltern nun 235 EUR statt wie bisher 225 EUR.

Kindergeldsätze im Vergleich

Anzahl der Kinder

Kindergeldsatz bis Juni 2019

Kindergeldsatz ab Juli 2019

Erstes und zweites Kind

194 EUR

204 EUR

Drittes Kind

200 EUR

210 EUR

Viertes Kind und alle weiteren Kinder

225 EUR

235 EUR

Kindergeld gilt als Einkommen

Doch Kindergeld gilt für die Berechnung der Jobcenter-Leistungen als Einkommen – und zwar vollständig. Freibeträge wie für Erwerbseinkommen gelten hier nicht. Das wird von verschiedenen politischen Akteuren und Sozialverbänden regelmäßig als ungerecht kritisiert, entspricht aber geltendem Recht. Gegen diese Regelung gab es schon Klagen bis zum Bundesverfassungsgericht – dort wurde aber 2010 entschieden, dass die volle Anrechnung nicht gegen Grundrechte verstößt. Ob und bei wem das Kindergeld anzurechnen ist, richtet sich nach § 11 SGB II und unter Umständen nach § 9 SGB II.

Beispielrechnung: Kindergeld-Anrechnung

Einer Beispielfamilie mit Eltern und einem fünfjährigen Kind hat zusätzlich zu den Kosten für ihre Unterkunft einen Bedarf von je 382 EUR für beide Eltern und von 245 EUR für ihr Kind. Das Kindergeld wird voll auf die Leistung des Kindes angerechnet.

Info: Jobcenter zahlt weniger

Das bedeutet: im Juni 2019 bekam das Kind 194 EUR Kindergeld und vom Jobcenter noch 51 EUR, um die 245 EUR Regelbedarf zu decken. Ab Juli ändert sich die Rechnung, doch das Ergebnis für die Familie bleibt das gleiche. Das Kind bekommt nun 204 EUR Kindergeld, damit verringert sich die Leistung vom Jobcenter auf 41 EUR. Der Familie bleiben auch in diesem Fall 245 EUR für das Kind
 

Häufige Fehler bei den Bescheiden zur Kindergelderhöhung

So einfach wie in unserer Beispielrechnung ist die Sache aber in den wenigsten Fällen. Hier haben wir einige beliebte Fehler für Sie zusammengefasst:

  • Das Jobcenter berücksichtigt in seinem neuen Bescheid nur die Kindergelderhöhung, nicht aber alle anderen Änderungen seit dem letzten Bescheid.
  • Das Jobcenter rechnet das volle Kindergeld an – es wurde aber gar nicht tatsächlich in voller Höhe ausbezahlt.
  • Das Jobcenter berücksichtigt nicht, dass es sich bei Ansprüchen nach SGB II um Individualansprüche handelt – und rechnet beispielsweise bei drei Kindern für jedes Kind pauschal 206 EUR an, statt beim ersten und zweiten Kind 204 EUR und beim dritten 210 EUR.
  • Das Jobcenter berücksichtigt nicht, dass Kinder über 18 vom Kindergeld eine Versicherungspauschale von 30 EUR behalten dürfen.
  • Das Jobcenter rechnet das Kindergeld bei den Eltern falsch an. Es kann vorkommen, dass mit dem Kindergeld das Einkommen des Kindes höher ist als sein Bedarf. Dann muss das Kindergeld dem Kindergeldberechtigten, also normalerweise einem Elternteil, angerechnet werden. Das kann finanziell einen Unterschied bedeuten, denn auch bei einem erwachsenen Elternteil müssen 30 Euro Versicherungspauschale vom angerechneten Kindergeld abgezogen werden.

Leben über dem Existenzminimum nicht gewünscht

Der Gedankengang dahinter: Hartz 4 soll das Existenzminimum decken. Das Kindergeld ist eine steuerliche Ausgleichsleistung. Die Regelbedarfssätze für Kinder werden regelmäßig neu berechnet und an das Existenzminimum angepasst. Warum also sollte eine steuerliche Ausgleichsleistung es ermöglichen, Leistungen über das Existenzminimum hinaus zu erhalten?

 

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Geschrieben von: Dr. Philipp Hammerich

Er promovierte an der Universität Hamburg und arbeitet u.a. als Dozent und Gesellschafter für das juristische Repetitorium Hemmer sowie den Fachanwaltslehrgang und die Wirtschaftsprüferausbildung von econect. Als Mitgründer der Legal Tech Kanzlei rightmart und als Anwalt von hartz4widerspruch.de gibt er seine Einschätzung zu politischen und juristischen Entwicklungen im Bereich Bürgergeld.

2 Antworten auf „Kindergelderhöhung: Kein Vorteil für Hartz 4-Familien“

  1. Mein Sohn ist 23 JAHRE HAT einen Minijob und will im September 2019 mit seinem Studium anfangen.
    Das Jobcenter verlangt, das er den Minijob aufgibt und sich für die Zeit einen Vollzeitjob sucht.
    Deshalb haben sie ihm jetzt und natürlich auch uns 100 % das Geld gekürzt.
    Ist das korrekt? Mein Mann ist Frührentner ist ich bin mit 57 Jahre im ALG II Bezug

  2. Mein Sohn ist 23 JAHRE HAT einen Minijob und will im September 2019 mit seinem Studium anfangen.
    Das Jobcenter verlangt, das er den Minijob aufgibt und sich für die Zeit einen Vollzeitjob sucht.
    Deshalb haben sie ihm jetzt und natürlich auch uns 100 % das Geld gekürzt.
    Ist das korrekt? Mein ist Frührentner ist ich bin mit 57 Jahre im ALG II Bezug

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