Frau vor Umzugskartons

Jobcenter muss Umzugsunternehmen zahlen

Sie solle ihren Umzug mit studentischen Hilfskräften organisieren, empfahl das Jobcenter einer Frau, die die Kostenübernahme für ein Umzugsunternehmen beantragte. Eigentlich richtig, entschied das Sozialgericht Dortmund. In der Corona-Pandemie allerdings müsse das Jobcenter andere Maßstäbe anlegen – und die Kosten deswegen doch übernehmen.

Umzug muss eigentlich größtenteils selbst durchgeführt werden

Wer Hartz 4 bekommt und umzieht muss normalerweise viel in Eigenleistung erledigen. Das Jobcenter zahlt zwar die Mietkosten für ein Umzugsauto bei einem genehmigten Umzug, Möbel und andere Habseligkeiten tragen müssen Hartz 4-Empfänger*innen aber selbst. Die Jobcenter verweisen darauf, dass Hilfe von Freunden und Bekannten in Anspruch zu nehmen ist und übernehmen bestenfalls kleine finanzielle Hilfen für die Umzugshelfer.

Was unter normalen Umständen für größere Haushalte schon schwer zu organisieren ist, ist unter den Corona-Beschränkungen unmöglich: Niemand darf Freunde und Familie aus mehreren Haushalten zusammentrommeln, damit sie beim Kistenschleppen behilflich sind.

Hartz 4-Empfängerin sollte studentische Hilfskräfte beauftragen

Deswegen muss unter den derzeit geltenden Bedingungen das Jobcenter die Kosten für einen gewerblich organisierten Umzug übernehmen, hat das Sozialgericht Dortmund entschieden. In dem Fall stand für eine Dortmunderin ein “erforderlicher” Umzug an. Die Frau beantragte daraufhin, dass das Jobcenter die Kosten für ein Umzugsunternehmen übernimmt.

Hinweis: Was zahlt das Jobcenter bei Umzügen?

Umziehen ist teuer. Kosten für Farbe, Bodenbeläge, neue Möbel und Handwerker können beispielsweise entstehen – ganz abgesehen von Kosten für doppelte Mieten und Kautionen. Das Jobcenter greift Hartz 4-Empfänger*innen dabei unter die Arme, allerdings nur in Maßen. Detaillierte Informationen zu Umzugskosten  und Erstausstattung finden Sie in unseren Ratgebern.

Das Jobcenter Dortmund lehnte die Kosten als unangemessen ab und forderte die Frau auf, eine andere Lösung zu finden. Der Umzug sei viel kostengünstiger mit einem Elektriker, einem Fahrer für den Umzugswagen und studentischen Hilfskräften durchführbar.

Gegen diese Ablehnung strengte die Frau ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren an und gewann. Das Gericht stimmte zu, dass die Frau unter anderen Umständen verpflichtet sei, den Umzug so zu organisieren, wie das Jobcenter es ihr nahegelegt hatte, unter der derzeit geltenden Coronaschutzverordnung sei die Situation jedoch anders zu bewerten.

Jobcenterforderungen unter Pandemiembedingungen unzumutbar

“Die Durchführung eines erforderlichen Umzugs mit studentischen Hilfskräften, einem Fahrer des Umzugswagens und einem Elektriker ist in der derzeitigen Situation aufgrund der COVID-19-Pandemie unzumutbar.” heißt es in der Pressemitteilung des Gerichts.

Es widerspreche dem Zweck der Coronaschutzverordnung, Personen aus mehreren Haushalten und von mehreren Arbeitgebern zusammenzubringen, wenn das nicht nötig sei. Außerdem ließen sich beim Umzug weder schweres Atmen wegen körperlicher Anstrengung noch ein Unterschreiten des Mindestabstands vermeiden. Das Problem bestehe zwar auch bei einem Umzugsunternehmen, die Mitarbeiter eines solchen Unternehmens arbeiteten aber häufiger zusammen und entsprächen daher eher einem Haushalt.

Diese Entscheidung stammt von einem lokalen Sozialgericht und ist daher nicht für alle Gerichte in Deutschland bindend. Dass innerhalb so kurzer Zeit keine Entscheidung vom Bundessozialgericht zu dieser Frage vorliegt, ist aber kaum verwunderlich. Wer sich in einer ähnlichen Situation wie die Dortmunderin befindet, sollte daher beim zuständigen Jobcenter auf diese Entscheidung verweisen und darauf hinweisen, dass sich die Umstände auf ganz Deutschland übertragen lassen.

Quellen:

  • Sozialgericht Dortmund
    • S 30 AS 4219/20 ER

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Geschrieben von: Dr. Philipp Hammerich

Er promovierte an der Universität Hamburg und arbeitet u.a. als Dozent und Gesellschafter für das juristische Repetitorium Hemmer sowie den Fachanwaltslehrgang und die Wirtschaftsprüferausbildung von econect. Als Mitgründer der Legal Tech Kanzlei rightmart und als Anwalt von hartz4widerspruch.de gibt er seine Einschätzung zu politischen und juristischen Entwicklungen im Bereich Bürgergeld.

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