Bei „kleineren“ Vergehen verhängen Gerichte im Regelfall Geldstrafen. Wer am Existenzminimum lebt, kann aber mitunter nicht genug Geld aufbringen, um diese zu begleichen. Für Grundsicherungsempfänger:innen gelten daher angepasste Tagessätze, entschied das Landgericht Frankfurt/Oder (LG).
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Hartz IV-Empfänger zu einer Geldstrafe verurteilt
Ausgangspunkt war eine Entscheidung des Amtsgerichts Eberswalde, das einen Hartz IV-Empfänger wegen Diebstahls zu einer Geldstrafe verurteilte. Das Gericht war überzeugt davon, dass der Angeklagte Waren im Wert von 27, 56 EUR aus einer Netto-Filiale hat mitgehen lassen.
Bei der Berechnung legten die Richter:innen ein Einkommen von 721, 35 EUR zugrunde. Diese Summe setzte sich aus dem Regelsatz und den Sachleistungen zusammen, die der Verurteilte monatlich erhielt. Daraus ergab sich eine Geldstrafe in Höhe von 700 EUR, die auf 35 Tagessätze á 20 EUR aufgeteilt wurde.
Hinweis: Geldstrafe richtet sich nach Nettoeinkommen
Ausgangspunkt für die Berechnung einer Geldstrafe ist nach § 40 Abs. 2 Strafgesetzbuch (StGB) das Nettoeinkommen eines Täters bzw. einer Täterin. Bei Leistungsbeziehenden werden auch die KdU und etwaige Mehrbedarfe einbezogen.
Hartz IV-Empfänger fordert geringere Geldstrafe
Dagegen wehrte sich der ALG II-Bezieher. Von den rund 720 EUR im Monat könne er nur 446 EUR selbst verwalten, so die Begründung. Der Rest seien Sachleistungen und vom Jobcenter übernommene Mietkosten.
Außerdem müssten ihm 70 % des Regelbedarfs zum Überleben bleiben. Die Geldstrafe sei viel zu hoch und würde ihn in den finanziellen Ruin und in die Obdachlosigkeit treiben.
Hinweis: Zahlungserleichterungen möglich
Wer seine Geldstrafe nicht auf einmal zahlen kann, erhält vom Gericht nach § 42 StGB die Möglichkeit, die Summe zu einem späteren Zeitpunkt oder in kleineren Raten zu zahlen.
Geldstrafe muss bei Grundsicherung angepasst werden
Die Richter:innen am Landgericht gaben der Beschwerde des Leistungsempfängers statt und verringerten die Geldstrafe. Statt den ursprünglichen 700 EUR muss der Verurteilte nur noch 350 EUR – also knapp die Hälfte – zahlen. Denn anders als „normal-Verdienende“ haben Grundsicherungsempfänger:innen weniger finanziellen Spielraum.
Zwar soll die Geldstrafe nach wie vor so empfindlich sein, dass Täter:innen vor zukünftigen Straftaten zurückschrecken. Gleichzeitig müsse den Verurteilten dabei aber auch ein menschenwürdiges Leben ermöglicht werden. Daher sei für Hartz IV-Empfangende ein anderes Berechnungsmodell heranzuziehen:
- Zunächst müssen die Kosten der Unterkunft sowie andere Sonderleistungen abgezogen werden. Übrig bleibt dann nur noch der Regelsatz.
- 70 % – 80 % des Regelsatzes müssen bei den Leistungsbeziehenden bleiben. Ansonsten kann das Existenzminimum nicht mehr sichergestellt werden.
- Nur die restlichen 20 % – 30 % können vom Gericht eingezogen werden. Das drei bis vierfache davon ist dann die Berechnungsgrundlage für die Geldstrafe.
Ebenfalls wichtig seien Zahlungserleichterungen für Grundsicherungsempfänger:innen. In den meisten Fällen können und sollen Betroffene die Geldstrafe nicht sofort zahlen. Stattdessen müssen ihnen Ratenzahlungen oder Zahlungsfristen angeboten werden, so die Richter:innen abschließend.
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