Mann schreibt auf Dokumenten

Eingliederungsbescheide mit ungewisser Geltungsdauer sind rechtens

Eingliederungsbescheide sind ein wichtiger Bestandteil in der Kommunikation zwischen Jobcenter und Hartz IV-Empfänger*in. Sie konkretisieren nämlich die teilweise schwammigen Vorschriften im Sozialrecht. Aber sie sind oft auch anfällig für Missbrauch durch das Jobcenter. In einem aktuellen Urteil des Landessozialgerichts (LSG) NRW kam die Frage auf, wie konkret ein solcher Bescheid ausgestaltet sein muss.

Hartz IV-Empfänger will sich selbstständig machen

Grund für den Erlass des Bescheides im Ausgangsfall war die Kündigung der alten Eingliederungsvereinbarung zwischen dem Kläger und dem Jobcenter, nachdem der Kläger in einem Beratungsgespräch dem Jobcenter gegenüber geäußert hat, dass er sich als Onlinehändler selbstständig machen wolle.

Weil der Mann aber in vielen Punkten vage blieb, händigte ihm die Behörde eine Checkliste für Existenzgründer aus. Seine Aufgabe war es, dieses Formular innerhalb eines Monats auszufüllen und an das Jobcenter zur Planung eventueller Fördermaßnahmen zurückzugeben. Sollte er dieser Aufgabe nicht nachkommen, so müsse er sich um einen “normalen” Arbeitsplatz bemühen.

Da sich beide Seiten nicht darüber einigen konnten, Förderungsmaßnahmen bereits jetzt schon in die Vereinbarung mit aufzunehmen, erließ das Jobcenter einseitig einen Eingliederungsbescheid, der keine Förderungsmaßnahmen enthielt. Die Monatsfrist verstrich, ohne dass der Leistungsempfänger die Checkliste ausfüllte. Stattdessen legte er Widerspruch gegen den Bescheid ein.

Tipp: Eingliederungsbescheid vs. Eingliederungsvereinbarung

Manche Begriffe im Sozialrecht sind schwer auseinanderzuhalten. So verhält es sich auch mit Eingliederungsbescheiden und -vereinbarungen. Die Eingliederungsvereinbarung ist quasi ein Vertrag zwischen Jobcenter und Leistungsempfänger*in: Beide “handeln” sozusagen ihre Rechte und Pflichten aus. Beim Eingliederungsbescheid gibt dagegen allein das Jobcenter vor, was beide zu tun und zu lassen haben.

Wie konkret muss ein Eingliederungsbescheid sein?

Nach Auffassung des Mannes sei der Bescheid zu vage formuliert.
Er führt Folgendes an:

  • Es fehle an einer zeitlichen Begrenzung. Der Bescheid gelte “bis auf Weiteres”.
  • Das Jobcenter habe diese lange Geltungsdauer nicht genug begründet.
  • Die Kostenübernahme der Bewerbungskosten werde nicht genau beziffert.

Das Jobcenter sah das anders:

  • Die Formulierung “bis auf Weiteres” sei notwendig gewesen, weil die Sachlage zu diesem Zeitpunkt noch zu uneindeutig war, als dass eine konkretere Planung möglich gewesen wäre.
  • Auf eine genaue Bezifferung der Kostenübernahme komme es nicht an. Diese sei auch gar nicht möglich, da das Jobcenter nicht voraussehen könne, auf welche Stelle sich der Leistungsempfänger bewerben werde.
  • Zu guter Letzt greife die Bewerbungspflicht ja sowieso nur dann, wenn die Idee mit dem Onlinehandel scheitern sollte. Sie spiele im ganzen Verfahren somit nur eine untergeordnete Rolle.


Bescheide dürfen allgemeine Formulierungen enthalten

Das Gericht gab dem Jobcenter Recht. Gerade bezüglich der Geltungsdauer des Bescheids gab es erst 2016 eine Gesetzesreform, die für mehr Flexibilität sorgen sollte. Bis dahin galten alle Bescheide für sechs Monate. Nun könne dieser Zeitraum auch problemlos verlängert werden – auch auf unbestimmte Zeit – solange alle sechs Monate eine Überprüfung stattfinde. Das sei im vorliegenden Fall gegeben.

Auch die Formulierung der Pflichten beider Parteien sei hinreichend genug konkretisiert. Weil der Kläger im Beratungsgespräch nur oberflächlich von seiner Geschäftsidee berichtete, wäre es der Behörde nicht möglich gewesen, alles haargenau im Bescheid zu regeln. Die ungewisse Entwicklung des Falles verlangte zu diesem Zeitpunkt eine dynamische Ausformulierung.

Es müsse auch berücksichtigt werden, dass es auf die Kostenübernahme nur dann wirklich ankomme, wenn der Kläger es unterlasse, seine Geschäftsidee näher zu konkretisieren. Und selbst wenn ihm im Bewerbungsverfahren etwaige Kosten entstehen würden, sei es alles andere als unzumutbar von ihm zu verlangen, dass er sich diesbezüglich mit dem Jobcenter in Verbindung setzt.

Quellen:

  • Landessozialgericht (LSG) NRW
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    Geschrieben von: Paul zu Jeddeloh

    Seit 2019 bereichert er unser Anwalts-Team und macht sich für die Rechte von Bürgergeld-Empfänger:innen stark. Soziale Ungerechtigkeiten räumt er aus dem Weg. Sein weitreichendes Know-how aus vergangenen Fällen und sein tiefgreifendes Wissen über aktuelle Entwicklungen im Sozialrecht verhelfen zahlreichen Ratsuchenden zum Recht.

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