Bilden wir jetzt eine Bedarfsgemeinschaft? Vor dieser Frage steht so manch frisch gebackenes Paar – besonders, wenn Kinder aus vorherigen Beziehungen mit in den neuen Haushalt ziehen. Das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (LSG) hat in einer neuen Entscheidung die Voraussetzungen einer Bedarfsgemeinschaft für Patchwork-Familien weiter konkretisiert.
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Jobcenter sieht in Patchwork-Familie eine Bedarfsgemeinschaft
Im Ausgangsfall ging es um eine Bürgergeld-Empfängerin, die mit ihrem ebenfalls Grundsicherung beziehenden Freund und dessen Kind aus einer vorherigen Beziehung zusammenzog. Der Einzug der Frau wurde dem Jobcenter ordnungsgemäß gemeldet. Wegen des Umzugs schlussfolgerte die Behörde, dass alle drei nun eine Bedarfsgemeinschaft bilden und verrechnete die Leistungen der Partner miteinander.
Genau dagegen wehrte sich die Klägerin. Es sei zwar richtig, dass sie mit dem Vater des Kindes eine Liebesbeziehung führe, mit dem Kind jedoch habe sie nur wenig Kontakt. Einen Einfluss auf dessen Erziehung habe sie nicht und sei auch von keinem Beteiligten gewollt. Sie koche lediglich für das Kind, wasche die Wäsche mit oder passe manchmal auf. Von einer Bedarfsgemeinschaft könne da noch nicht ausgegangen werden.
Bedarfsgemeinschaft setzt engen Zusammenhalt voraus
Nun musste das LSG entscheiden, ob tatsächlich eine Bedarfsgemeinschaft vorlag oder nicht. Eine Bedarfsgemeinschaft zeichnet sich dadurch aus, dass die Beteiligten gegenseitig füreinander Verantwortung tragen und ein besonderes Näheverhältnis zueinander aufweisen. Für Paare gilt zusätzlich die gesetzliche Vermutung des § 7 des Zweiten Sozialgesetzbuches (SGB II). Nach dieser Vorschrift kann das Jobcenter eine Bedarfsgemeinschaft annehmen, wenn beide Partner:innen:
- mindestens ein Jahr zusammenleben (sog. Probejahr)
- mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben
- ein Kind gemeinsam versorgen
- befugt sind, über das Einkommen des jeweils anderen zu verfügen
Die Kernfrage im vorliegenden Fall war, ob bei den wenigen Interaktionen der Frau mit dem Kind Ihres Partners von „Versorgung“ auszugehen ist.
Achtung: Bedarfsgemeinschaft kann auch schon vor Probejahr bestehen!
Das Jobcenter kann auch schon vor Ende des Probejahres eine Bedarfsgemeinschaft bei Partner:innen annehmen. Allerdings braucht es dafür konkrete Anhaltspunkte.
Nebeneinander leben ist keine Bedarfsgemeinschaft
Das Gericht setzte die Anforderungen beim Begriff der Versorgung hoch an. „Versorgen“ meint eine spezifisch auf das Kind bezogene Hilfeleistung des Partners bzw. der Partnerin, die über ein bloßes Mitkochen oder -waschen, sowie vereinzeltes Aufpassen hinausgeht. Es müsse klar erkennbar sein, dass zwischen Kind und Partner:in ein besonderes Näheverhältnis gegeben ist, wie es eine Bedarfsgemeinschaft voraussetzt.
Gerade wenn das Kind noch jünger sein sollte, seien die von der Klägerin beschriebenen Tätigkeiten „nur“ eine pure Notwendigkeit im alltäglichen Leben. Ein besonderes Vertrauens- und Näheverhältnis zwischen Kind und dem oder der neuen Partner:in sei damit noch nicht begründet, so die Richter:innen. Das Gericht stellte fest, dass keine Bedarfsgemeinschaft vorlag und die Verrechnung der Leistungen nicht gerechtfertigt war.
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