Es ist nicht sozialwidrig, wenn Familien Bürgergeld zusätzlich zum Elterngeld beantragen.

Bürgergeld zusätzlich zum Elterngeld: Doppelte Beantragung möglich

Familien, die durch die Inanspruchnahme von Elternzeit Bürgergeld beziehen müssen, handeln nicht sozialwidrig. Die Hilfebedürftigkeit ist in diesem Fall zwar selbst verschuldet. Gleichzeitig liegt mit der Elternzeit aber ein wichtiger Grund vor, so das Landessozialgericht (LSG) Hessen. Eine Grenze zieht das Gericht erst beim vorsätzlichen Missbrauch der Elternzeit: Elternteile, die nur für den Bürgergeldbezug eine Auszeit nehmen, sich aber nicht um ihr Kind kümmern, müssen ihre Leistungen an das Jobcenter zurückzahlen.

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Familienvater beantragt Bürgergeld zusätzlich zum Elterngeld

Normalerweise müssen Bürgergeld-Empfänger:innen, die sich bewusst in den Leistungsbezug manövriert haben, jegliche Zahlungen vom Jobcenter zurückerstatten. Ausnahmen gibt es, wenn ein wichtiger Grund für die Hilfebedürftigkeit vorliegt. Das LSG hat jetzt in einem neuen Urteil klargestellt, dass die Inanspruchnahme von Elternzeit einen wichtigen Grund darstellt.

Der Entscheidung liegt folgender Fall zugrunde: Der Vater einer fünfköpfigen Familie ging nach der Geburt seines dritten Kindes in Elternzeit. Da das Elterngeld, das er für diesen Zeitraum bezogen hatte, sein bisheriges Einkommen von 1.538,73 EUR netto nicht voll auffangen konnte, beantragte die Familie Bürgergeld zusätzlich zum Elterngeld.

Hinweis: Elterngeld

Das Elterngeld ist eine staatliche Leistung, die Sie bekommen, wenn Sie nach der Geburt Ihres Kindes nicht oder weniger arbeiten, um sich um Ihr Baby zu kümmern. Es entspricht zwischen 65 und 67 % Ihres Nettoeinkommens und wird auf das Bürgergeld angerechnet.

Bürgergeldbezug durch Elternzeit selbst verschuldet

Das Jobcenter war zunächst kooperativ und bewilligte den Bürgergeld-Antrag des Klägers. Wenig später erhielt der Mann jedoch ein Schreiben, in dem ihn das Amt dazu aufforderte, sämtliche erhaltenen Leistungen zurückzuzahlen. Die Behörde war überzeugt davon, dass der Vater nur deswegen in Elternzeit gegangen ist, um weitere Leistungen vom Staat beziehen zu können.

§ 34 des Zweiten Sozialgesetzbuches (SGB II) gewährt dem Jobcenter in diesem Fall einen Erstattungsanspruch, der genau solch einem Missbrauch von Sozialleistungen entgegenwirken soll. Nach der Vorschrift müssen Sie alle Geld- und Sachleistungen zurückzahlen, die das Jobcenter Ihnen gewährt hat, wenn Sie:

  • über 18 Jahre alt sind,
  • die Voraussetzungen für Ihren Anspruch auf Bürgergeld selbst herbeigeführt haben,
  • dabei vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt haben und
  • keinen wichtigen Grund vorweisen können.

Im Hessener Fall musste das LSG daher klären, ob die Inanspruchnahme von Elternzeit ein wichtiger Grund ist, der einen Erstattungsanspruch des Jobcenters ausschließt.

Familie durfte Bürgergeld zusätzlich zum Elterngeld beziehen

Die Richter:innen beantworteten die Frage mit einem klaren: Ja. Elternzeit zu nehmen, könne alleine deshalb schon nicht sozialwidrig sein, weil ein anderes Gesetz – das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) – das berufliche Kürzertreten gerade fördern will. Dafür stelle der Staat sogar eine spezielle Leistung in Form von Elterngeld zur Verfügung.

Zudem unterstütze die Elternzeit auch die Chancengleichheit von Männern und Frauen, indem sie es beiden Elternteilen ermöglicht, sich gleichmäßig um den Nachwuchs zu kümmern. Damit erfüllt die Elternzeit gleich zwei wichtige Funktionen, die für sich genommen schon einen wichtigen Grund darstellen.

Eine Einschränkung nimmt das Gericht in seinem Urteil allerdings vor: Sozialwidrig ist das Verhalten von Bürgergeld-Empfänger:innen dann, wenn sie die Elternzeit nur vorschieben, um staatliche Leistungen zu kassieren. Jobcenter müssten dafür aber konkret nachweisen, dass sich die Betroffenen nicht um ihr Kind kümmern. Im Fall der fünfköpfigen Familie aus Hessen lagen dafür keine Anhaltspunkte vor. Sie durfte daher Bürgergeld zusätzlich zum Elterngeld beziehen. 

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Geschrieben von: Paul zu Jeddeloh

Seit 2019 bereichert er unser Anwalts-Team und macht sich für die Rechte von Bürgergeld-Empfänger:innen stark. Soziale Ungerechtigkeiten räumt er aus dem Weg. Sein weitreichendes Know-how aus vergangenen Fällen und sein tiefgreifendes Wissen über aktuelle Entwicklungen im Sozialrecht verhelfen zahlreichen Ratsuchenden zum Recht.