Jobcenter sind an datenschutzrechtliche Vorgaben gebunden. Führen die allerdings dazu, dass behinderte Menschen keinen barrierefreien Zugang zu Dokumenten bekommen, ist eine Ausnahme zu machen. Das hat das Sozialgericht (SG) Hamburg entschieden.
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Streit um barrierefreie E-Mails
Trotz gleicher Rechte auf dem Papier haben es Menschen mit einer Behinderung in vielen Bereichen immer noch schwerer als Menschen ohne Beeinträchtigung. Der Fall eines blinden Bürgergeld-Empfängers aus Hamburg zeigt, dass selbst Datenschutz diskriminierend sein kann: Seit über zehn Jahren bezieht er bereits Leistungen nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II). Immer wieder bat der Mann das Jobcenter darum, Bescheide und sonstige Post als E-Mail zu verfassen und an ihn zu schicken, da er sonst auf eine Vorlesekraft angewiesen sei, die nicht nur viel Geld koste, sondern auch nur unregelmäßig bei ihm erscheinen würde.
Datenschutz statt Gleichbehandlung
Das Jobcenter antwortete ihm, dass es zwar seinen Wunsch auf Barrierefreiheit durchaus nachvollziehen könne, die technischen und rechtlichen Hürden jedoch zu hoch seien, um von der Post auf einen E-Mail-Versand zu wechseln.
Genauer gesagt, hat das Jobcenter datenschutzrechtliche Bedenken. E-Mails müssten extra verschlüsselt werden, um den rechtlichen Anforderungen der Datenschutzgrundverordnung und anderen Gesetzen zu genügen.
Zwar sei die Verschlüsselung an sich nicht das Problem. Allerdings bräuchte der Leistungsempfänger zum Empfangen und Öffnen der E-Mails eine verschlüsselte E-Mail-Adresse samt Sicherheitszertifikat. Solange das nicht gegeben sei, seien der Behörde die Hände gebunden.
Hinweis: Jobcenter muss Datenschutz beachten
Das Jobcenter hat teilweise sehr persönliche Daten über Sie und andere Leistungsempfänger:innen. Bei deren Verarbeitung ist es an strenge Vorschriften des Datenschutzrechts gebunden.
Datenschutz führt zu höherem Aufwand
Empört über die Antwort des Jobcenters, erhob der Bürgergeld-Empfänger Klage vor dem Sozialgericht. Die Einrichtung einer verschlüsselten E-Mail-Adresse erfordere technisches Know-how, das der normale Bürger einfach nicht habe. Ein Zugang, der nur mit erheblichen Mühen herzustellen ist, könne man wohl kaum als barrierefrei bezeichnen. Er habe aber ein Recht darauf, vernünftig mit dem Jobcenter kommunizieren zu können.
Das Jobcenter könne nicht einfach den Datenschutz vorschieben, um ihn an der Wahrnehmung seiner Bescheide und seiner Rechte zu hindern – zumal er mit anderen Behörden problemlos über unverschlüsselte E-Mails in Kontakt tritt.
Teilhaberechte über Datenschutz
Das SG entschied zugunsten des Bürgergeld-Empfängers. Er habe einen Anspruch auf barrierefreien Zugang zu seiner Post. Zwar bestehe für das Jobcenter durchaus die Möglichkeiten, einzelnen Maßnahmen zu widersprechen, wenn diese „ungeeignet“ seien. Was letzten Endes aber ungeeignet ist, muss die Behörde erst einmal in einer sorgfältigen Interessenabwägung ermitteln. Entscheidend seien dabei vor allem:
- die technischen Möglichkeiten
- die Kosten
- der drohende Schaden für den Betroffenen
Der Schaden für den Kläger – hier in Form des Benachteiligungsverbotes – überwiegen dabei eindeutig die Kosten und die Möglichkeiten des Amtes. Dem Gericht sei nicht klar, warum der Datenschutz einen höheren Stellenwert haben sollte als das Teilhaberecht des Klägers.
Hinzu komme, dass der Kläger ja schon längst in die Verarbeitung seiner Daten eingewilligt habe. In erster Linie sollen die Vorgaben aus dem Datenschutzrecht sicherstellen, dass kein unbefugter Dritter in den Besitz der sensiblen Daten gelange. Hier ginge es aber alleine um die Kommunikation zwischen Jobcenter und Bürgergeld-Empfänger. Es sei weder nötig noch zielführend, die eigenen Daten vor ihm zu verschlüsseln.
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