Sind Sozialhilfeträger dazu verpflichtet, die Kosten einer Räumungsklage zu tragen, wenn Leistungsempfänger:innen sich gerichtlich gegen die Kündigung ihrer Vermieter wehren? Diese Frage musste das Landessozialgericht (LSG) Hessen jetzt beantworten. Wir verraten Ihnen, warum der Fall auch für Bürgergeldbeziehende interessant ist.
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Sozialhilfeempfänger muss Räumungsklage wegen Eigenbedarfs hinnehmen
Hintergrund des Falls war eine Mietstreitigkeit zwischen einem 72 Jahre alten Sozialhilfeempfänger und seinen Vermietern. Der Senior lebte zum fraglichen Zeitpunkt seit mehr als 30 Jahren in einer Wohnung nahe Kassel. Nach einem Eigentümerwechsel im Jahr 2021 meldeten die neuen Vermieter des Mannes Eigenbedarf an und kündigten ihm fristgerecht.
Es folgte eine Räumungsklage, gegen die der Leistungsempfänger vergeblich vorzugehen versuchte: Das Amtsgericht Kassel gab den beiden Vermietern Recht und verurteilte den Mann dazu, auszuziehen und die Kosten des Rechtsstreits in Höhe von insgesamt 1.270 EUR zu tragen.
Nachdem er die Rechnung zunächst aus eigener Tasche beglichen hatte und umgezogen war, wollte der Kläger sich zumindest die Prozesskosten für die Räumungsklage von der Stadt zurückholen. Somit ging es für den Sozialhilfeempfänger innerhalb kürzester Zeit zum zweiten Mal vor Gericht.
Achtung: Unterschied zwischen Bürgergeld und Sozialhilfe!
Das Bürgergeld und die Sozialhilfe sind zwei unterschiedliche staatliche Leistungen, die es voneinander zu unterscheiden gilt. Während das Bürgergeld als Grundsicherung für Arbeitssuchende dient, sichert die Sozialhilfe Menschen ab, die nicht mehr bzw. weniger als drei Stunden pro Tag arbeiten können oder sich in einer besonderen Notlage befinden. Ob Sie Bürgergeld oder Sozialhilfe beziehen, hängt also davon ab, ob Sie grundsätzlich erwerbsfähig sind oder nicht.
Keine Kostenübernahme für Räumungsklage durch Jobcenter oder Sozialamt
Auch vor dem LSG kassierte der Leistungsempfänger eine Niederlage. Die Voraussetzungen für die Übernahme der Prozesskosten durch das Sozialamt liegen schlicht und ergreifend nicht vor, so die Richter:innen. Denn grundsätzlich könne der Sozialhilfeträger zwar zur Deckung solcher Ausgaben verpflichtet sein. Dafür müssten die Kosten aber entweder:
- als Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach § 35 des Zwölften Sozialgesetzbuches (SGB XII) oder
- als übernahmefähige Schulden im Sinne des § 36 SGB XII
einzustufen sein. Beides sei vorliegend nicht der Fall, stellte das Gericht fest.
Um Bedarfe für Unterkunft und Heizung handele es sich bei den Kosten einer Räumungsklage nur, wenn sie auf Mietrückstände zurückzuführen ist, die vom Sozialamt verursacht wurden. Da die Kündigung im Fall des Klägers aber nicht wegen ausstehender Mietzahlungen, sondern wegen des angemeldeten Eigenbedarfs der Vermieter erfolgte, bestehe auf Seiten des Sozialhilfeträgers keine Zahlungspflicht.
Ähnliches gelte für die Übernahme von Schulden nach § 36 SGB XII. Dieser Anspruch setze nämlich voraus, dass die Kosten für die Räumungsklage:
- nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln beglichen werden können und
- eine Übernahme zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage notwendig erscheint.
Da der Leistungsempfänger seiner Zahlungspflicht aber bereits nachgekommen ist und auch schon eine neue Wohnung gefunden hat, könne das Gericht keinen Notfall feststellen, der eine Kostenübernahme rechtfertigen würde.
LSG-Urteil zur Räumungsklage auch für Jobcenter relevant
Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussehen mag: Der in Darmstadt verhandelte Fall des 72-jährigen Sozialhilfeempfängers ist auch für Bürgergeldbeziehende interessant. Denn auch im Zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II), welches die gesetzliche Grundlage für das Bürgergeld darstellt, finden sich Vorschriften zur Übernahme von Unterkunftskosten und Schulden, die teilweise sogar den exakt gleichen Wortlaut wie die Regelungen des SGB XII haben:
Vorschrift des SGB II | Vorschrift des SGB XII | Übereinstimmender Wortlaut |
---|---|---|
§ 22 Absatz 1 | § 35 Absatz 1 | “Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind". |
Die Rechtslage ist in beiden Fällen also vergleichbar, wenn nicht sogar identisch. Das zeigt sich nicht zuletzt darin, dass auch das LSG in seiner Entscheidung immer wieder auf Rechtsprechung zum Bürgergeld verweist. Aus diesem Grund gilt auch im Bürgergeldbezug: Die Kosten einer Räumungsklage übernimmt das Jobcenter nur im Ausnahmefall!
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