Für einen Umzug brauchen Bürgergeld-Empfänger:innen die Zustimmung des Jobcenters. Ein Fall aus Reutlingen zeigt, wie sehr sie dabei auf das Wohlwollen der Behörden angewiesen sind. Dort musste das Sozialgericht (SG) einschreiten, nachdem das Jobcenter einem 49-Jährigen verbot, aus seinem Elternhaus auszuziehen.
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Jobcenter will Umzugskosten nicht tragen
Mit den eigenen Eltern unter einem Dach zu wohnen, kann Vorteile mit sich bringen. Gleichzeitig birgt ein gemeinsames Leben auf engem Raum aber auch ein hohes Risiko, aneinander zu geraten. Genau das traf auf einen Fall zu, mit dem sich das SG Reutlingen vor einiger Zeit befassen musste:
Der Kläger beantragte Anfang 2020 Bürgergeld (damals noch Hartz IV) und lebte während der gesamten Bezugsdauer mietfrei bei seinen Eltern. Nachdem es immer wieder zwischen beiden Parteien gekracht hat, begab sich der Mann auf Wohnungssuche. Im Februar 2021 beantragte er schließlich die Zusicherung zum Umzug und legte dem Jobcenter ein entsprechendes Wohnungsangebot vor.
Das Jobcenter jedoch lehnte den Antrag auf Kostenübernahme mit der Begründung ab, dass die Unstimmigkeiten innerhalb der Familie kein ausreichender Grund für einen Wohnungswechsel seien.
Achtung: Neue Wohnung muss angemessen sein!
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SG: Auszug war rechtmäßig
Vor Gericht erhielt der Bürgergeld-Empfänger Recht. Das SG sah den Umzug – anders als der Leistungsträger – als erforderlich an und verpflichtete das Jobcenter zur Übernahme der Kosten. In seiner Urteilsbegründung orientierte sich das Gericht dabei an drei Kriterien, die für die Erforderlichkeit eines Umzuges maßgeblich sind:
- Es muss ein plausibler, nachvollziehbarer und verständlicher Grund vorliegen.
- Der Grund müsste auch eine nicht leistungsberechtigte Person zum Umzug veranlassen.
- Der oder dem Betroffenen darf kein „milderes Mittel“ als der Umzug zur Verfügung stehen.
Allein schon das Alter des Klägers erfülle aus Sicht der Richter:innen alle drei Kriterien – von den familiären Problemen ganz abgesehen. Zudem habe das Jobcenter bei seiner Beurteilung wichtige grundgesetzliche Wertungen nicht berücksichtigt. So sei der Auszug aus dem Elternhaus gleichzeitig auch Ausdruck der freien Entfaltung der Persönlichkeit, die in der Verfassung garantiert ist. Auch hinsichtlich der Angemessenheit der neuen Wohnung gab es aus Sicht des Gerichts nicht zu beanstanden. Sowohl von ihrer Größe als auch vom Preis her hielt sie sich im vom Jobcenter vorgegebenen Rahmen.
Auszug für Bürgergeld-Empfänger erst ab 25 Jahren möglich
Ebenfalls ausschlaggebend für den Erfolg der Klage war das Alter des Bürgergeld-Empfängers. Das Sozialgesetzbuch (SGB) gestattet Leistungsempfänger:innen in der Regel erst mit 25 Jahren den Auszug aus dem Elternhaus. Nur in Ausnahmefällen können sie schon vorher eine eigene Wohnung beziehen. Dazu zählen nach § 22 Absatz 5 SGB II:
- Schwerwiegende soziale Gründe (z.B. häusliche Gewalt),
- ein sonstiger, ähnlich schwerer Grund,
- Erforderlichkeit des Umzugs für z.B. die Aufnahme einer Arbeit.
Weitere Informationen über Zustimmungs- und Ablehnungsgründe des Jobcenters finden Sie in unserem Ratgeber zu Umzugskosten.
Der Fall des SG Reutlingen zeigt wieder einmal, wie wichtig es ist, gegen Entscheidungen des Jobcenters vorzugehen. Ein Widerspruch kann sich in vielen Fällen lohnen. Wir prüfen Ihren Bescheid gerne kostenlos für Sie.
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