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Wenn das Jobcenter nicht mit seinem Beurteilungsspielraum umgehen kann

Jobcenter haben als staatliche Behörden oft einen Ermessensspielraum im Sozialrecht. Dass sie aber nicht immer verantwortungsvoll mit dieser Entscheidungsfreiheit umgehen können, zeigt ein aktueller Fall des Landessozialgerichts (LSG) München. Hier wurden einer Frau ohne richtige Begründung oder Vorwarnung die Leistungen vom Jobcenter entzogen.

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Kranke Hartz IV-Empfängerin fehlt bei Untersuchungen

Die Klägerin im Verfahren war eine Frau Ende vierzig, die krankheitsbedingt auf Hartz IV angewiesen war. Da es in einem solchen Fall üblich ist, den*die Leistungsempfänger*in medizinisch zu untersuchen, begab sich die Frau Ende September 2015 zum angesetzten Untersuchungstermin. Im Rahmen dieser Untersuchung attestierte der Arzt ihr eine vorübergehende Arbeitsunfähigkeit und empfahl eine regelmäßige Überprüfung ihres Gesundheitszustandes alle paar Jahre.

Deshalb forderte das Jobcenter die Klägerin zu einer weiteren Untersuchung Ende 2018 auf. Diese nahm sie aber nicht wahr. Daraufhin erhielt sie ein Schreiben, in dem sie erneut zu einer Untersuchung aufgefordert wurde, mit dem Hinweis, dass Kürzungen der Leistungen bei einem erneuten Versäumnis drohen.

Jobcenter sieht im Fehlen eine Verletzung der Mitwirkungspflichten

Als die Grundsicherungsempfängerin immer noch nicht an der Untersuchung teilnahm, strich das Jobcenter ihre Leistungen kurzerhand ganz. Sie habe durch ihr Fehlen ihre Mitwirkungspflicht nach §62 SGB I verletzt. Zudem habe sie keine Begründung angegeben, die ihr Fehlen hätte rechtfertigen können. Da sie in keinster Weise dabei helfe, ihren Sachverhalt aufzuklären, sei eine komplette Entziehung des Regelsatzes angemessen.

Hinweis: Ermessensentscheidungen des Jobcenters

Die teilweise oder komplette Entziehung der Hartz IV-Leistungen ist wie viele andere Rechtshandlungen des Jobcenters auch eine Ermessensentscheidung. Das bedeutet, dass das Jobcenter einen Beurteilungsspielraum dahingehend hat, ob es eine Maßnahme trifft oder nicht. Ermessensentscheidungen sind zudem auch nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar.

Klägerin müsse zuhause untersucht werden

Die Klägerin wehrte sich gegen den Bescheid und erhob Widerspruch. Sie leide an Bluthochdruck und sei reiseunfähig, weshalb sie die Termine nicht wahrnehmen konnte. Zudem bestehe die Möglichkeit, zuhause untersucht zu werden. So hätte das Jobcenter Aufschluss über die Arbeitsfähigkeit der Klägerin. Nachdem die Behörde die Einwände der Frau mit einem Widerspruchsbescheid unbeachtet ließ, erhob sie Klage.

LSG München: Falsche Belehrung und Ermessensfehler

Das LSG München gab der Klägerin Recht und erachtete den Bescheid des Jobcenters als rechtswidrig. Zum einen wurde die Klägerin nie ordnungsgemäß über die Folgen einer fehlenden Mitwirkung aufgeklärt. Zwar gab es einen Bescheid, in dem eine Entziehung angedeutet wurde, das reiche aber nicht, um das Erfordernis der Belehrung zu erfüllen. Hier sei eine bloße Wiedergabe des Gesetzestextes erfolgt. Dabei hätte das Jobcenter konkret bezeichnen müssen, dass eine Kürzung des Regelsatzes erfolgt und wie hoch sie ausfällt. Allein deswegen sei der Bescheid schon rechtswidrig.

Zudem sei die Entscheidung des Jobcenters ermessensfehlerhaft gewesen. Denn auch hier stütze sich die Behörde auf schwammige und floskelhafte Formulierungen, anstatt eine konkrete Begründung für ihre Entscheidung zu liefern. Einwände der Klägerin wurden überhaupt nicht beachtet oder untersucht. Zudem müsse der Leistungsempfängerin trotz Sanktionen ein Existenzminimum bleiben. Dieses Urteil zeigt, dass Jobcenter gut daran täten, künftig innerhalb ihres gesetzlichen Rahmens zu handeln und Fälle genauer zu prüfen.

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Geschrieben von: Paul zu Jeddeloh

Seit 2019 bereichert er unser Anwalts-Team und macht sich für die Rechte von Bürgergeld-Empfänger:innen stark. Soziale Ungerechtigkeiten räumt er aus dem Weg. Sein weitreichendes Know-how aus vergangenen Fällen und sein tiefgreifendes Wissen über aktuelle Entwicklungen im Sozialrecht verhelfen zahlreichen Ratsuchenden zum Recht.

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