Nach wie vor ungleiche Lebensverhältnisse in Deutschland

Studie belegt: Nach wie vor ungleiche Lebensverhältnisse in Deutschland

Letzte Woche wurde der „Teilhabeatlas Deutschland“ veröffentlicht. Eine Studie des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung in Zusammenarbeit mit der Wüstenrot Stiftung. Diese belegt, dass Deutschland von gleichwertigen Lebensverhältnissen in seinen verschiedenen Regionen weit entfernt ist. Hartz 4 ist bei der Einstufung ein wesentlicher Indikator.

Wie gleichwertig sind die Lebensverhältnisse in Deutschland?

Ein erklärtes Ziel der Bundesregierung und ebenfalls im Grundgesetz Artikel 72 erwähnt, ist die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse in allen Regionen. Wie gleichwertig die Lebensverhältnisse tatsächlich sind, soll nun anhand einer Studie beantwortete werden. Die Studie sollte beantworten, inwiefern die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben von dem jeweiligen Wohnort anhängt und wie die jeweiligen Bewohner ihre Situation wahrnehmen. Untersucht wurden 401 Landkreise und kreisfreie Städte.

Für die Analyse haben die Autoren unter anderem folgende Kriterien genutzt:

  •         Zahl der Schulabbrecher
  •         Anzahl der Sozialleistungsempfänger
  •         Kommunale Steuerkraft
  •         Verfügbarkeit schnellen Internets
  •         Infrastruktur, gemessen an Distanzen zu Schulen, Ärzten und Nahverkehr

Teilhabe hängt von Wohnort ab

Das Ergebnis: Die Lebensverhältnisse in deutschen Regionen bleiben ungleich. Laut Direktor Reiner Klingholz, einer der Autoren der Studie, hänge nach wie vor vom Wohnort ab, wie gut Menschen am gesellschaftlichen Leben teilhaben könnten. Die Studie ergab, dass die Teilhabechancen besonders gut in Baden-Württemberg, Teilen Bayerns und im südlichen Hessen sind.

Auch 30 Jahre nach dem Mauerfall stehen hingegen immer noch viele ostdeutsche Regionen schlecht da. Ausgenommen sind aufstrebende Städte wie

  • Potsdam
  • Dresden
  • oder Jena.

Ebenfalls zu den schwächelnden Regionen zählen viele Städte aus dem Ruhrgebiet sowie Teile von Rheinland-Pfalz, Saarland, Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Auch Deutschlands Hauptstadt Berlin zählt zu den Schlusslichtern.

Achtung: Fehlende Bildung wird zum Problem

Für ein besonders gravierendes Problem hält der Vorsitzende Klingholz die Bildungsdefizite. Diese zeigen sich vor allem in Gebieten, aus denen qualifizierte Menschen zunehmend abwandern. In diesen Regionen verlässt laut der Studie fast jeder Zehnte die Schule ohne Abschluss.

Wohlfühlfaktor stimmt nicht immer mit Daten überein

Ein weiterer Bestandteil der Studie war neben den objektiven Bedingungen, die Erfassung des Lebensgefühls. Dafür wurden rund 300 Interviews mit Bürgermeistern, Wirtschaftsverbänden, Schulen und Vereinen durchgeführt. Auch wenn es nicht repräsentativ ist, zeigte das Ergebnis, dass der sogenannte Wohlfühlfaktor nicht immer mit den statistischen Daten übereinstimmt. Viele Menschen fühlen sich in gut entwickelten Städten nicht automatisch wohl.

Hinweis: Daten sind nur bedingt aussagekräftig

Die Negativseiten gut entwickelter Städte sind hohe Mieten und fehlende Schul- beziehungsweise Kitaplätze sowie Staus und überfüllte Bussen und Bahnen. Auf dem Land fühlten sich Menschen hingegen schnell abgehängt. Vor allem dann, wenn zunehmend Kliniken und Schulen in der Umgebung schließen und das Internet kaum funktioniert.

Heimat spielt für viele Menschen eine wichtige Rolle

Optimismus in ländlichen Gebieten war meistens dann vorhanden, wenn ein Aufwärtstrend zu spüren war. In Regionen, in denen nun schon seit mehreren Jahren ein Abwärtstrend zu beobachten war und in denen durch Abwanderung auch zunehmend die Infrastruktur verloren ging, war dementsprechend auch schlechte Stimmung in der Bevölkerung.

Folglich haben ungleichwertige Lebensverhältnisse nicht gezwungenermaßen auch zu Frustration bei den Bewohnern geführt. Das sei nach Ansicht der Autoren auch darauf zurückzuführen, dass die Heimat für viele Menschen eine wichtige Rolle spiele und man sich daher mit der Realität zu arrangieren versuche.

Wie kann mehr Teilhabe entstehen?

Wie bereits erwähnt, ist es ein erklärtes Ziel der Bundesregierung für gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Teilen des Landes zu sorgen. Mit einem Zwölf-Punkte-Plan sollen strukturschwache Gegenden in Deutschland deshalb gestärkt werden. Die Autoren des “Teilhabeatlas” glauben an eine andere Methode. Sie sind der Auffassung, dass die Studie bestätigt habe, dass die Regionen und auch die Lebensverhältnisse in Deutschland vielfältig seien.

Hinweis: Forderung nach garantierter Grundversorgung

Viele Menschen haben besondere Ansprüche an ihren Wohnort. Diese Vielfalt sollte die Grundlage der Politik darstellen. Die Forderung der Autoren lautet daher, eine garantierte Grundversorgung in den betroffenen Regionen zu schaffen. Diese beinhalte in der heutigen Zeit auch einen schnell Internetzugang. Außerdem muss die Möglichkeit für die Kommunen gegeben sein, lokale Konzepte umzusetzen.

Auch dürfe man nicht sofort Schulen schließen, wenn die Schülerzahl unterschritten werde. Vielmehr müsse über ein alternatives Konzept nachgedacht werden, wie man die Versorgung vor Ort erhalten könnte. Gleiche Bildungschancen sind besonders wichtig. Schließlich ist Bildung die wichtigste Voraussetzung für individuelle gesellschaftliche Teilhabe, laut Frederick Sixtus, Soziologe und Autor der Studie.

 

Quellen:

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Geschrieben von: Johanna Höfer

Nach einem Master in Transkulturelle Studien an der Universität Bremen arbeitete sie als Sozialarbeiterin zuerst bei der AWO und dann für die Stadt Bremen. Nun informiert sie als Redakteurin bei hartz4widerspruch.de über praktische Tipps für den Umgang mit Hartz IV.

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